Mangeldarlegung

  • Symptomtheorie im Bau- und IT-Recht
    Funktioniert eine Software nicht richtig, wissen selbst Spezialisten häufig nicht, woran es liegt. Umso schwerer tun sich häufig die „Käufer“ einer Software, wenn sie konkrete Mängel im Prozess darlegen müssen. Der Bundesgerichtshof hat nun in einer wichtigen Entscheidung klargestellt, dass die erleichterten Anforderungen an die Mängelbehauptungen und- darlegung, die im Baurecht entwickelt worden waren, auch im Softwarerecht gelten.
  • Fallbeispiel
    Fall: Die Klägerin handelt mit Möbeln und Möbelzubehör. Sie bietet ihre Waren auch über verschiedene Online-Shops an. Die Beklagte ist ein EDV-Handels- und Softwareentwicklungsunternehmen, welches sich auf den Einbau und die kundenspezifische Anpassung des Warenwirtschaftssystems „B.“ spezialisiert hat. Die Parteien einigten sich im Juni 2008 über das „Installation- & Einrichtungsvolumen `First Step`“. Damit verpflichtete sich die Beklagte, gegen Zahlung von netto 22.141 € ihre „B.“ zu installieren und einzurichten, insbesondere eine Anbindung ihrer Software an von der Klägerin genutzte Online-Shops herbeizuführen.
    Nach Fertigstellung der Leistungen der Softwareanbieterin entstand Streit darüber, ob diese mangelfrei geleistet habe, insbesondere die Schnittstellen zu den Onlineportalen mangelfrei hergestellt seien. Nachdem der Streit nicht gelöst werden konnte, erklärt die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag und verlangte mit ihrer Klage Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises in Höhe von Euro 26.377,79.
  • Entscheidung
    Der Bundesgerichtshof bestätigte zunächst die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Vertrag als Werkvertrag einzuordnen sei. Dem Gegenstand des Vertrages sei die Anpassung der Software an die Bedürfnisse der Klägerin und die Schaffung von Schnittstellen zu den Onlineshops gewesen. Damit habe die Beklagte die Herbeiführung des vertraglich vereinbarten Erfolgs als Ergebnis einer individuellen Tätigkeit geschuldet.
    Fehlerhaft zu hoch habe das Berufungsgericht aber die Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels nach Abnahme der Werkleistung gesetzt. Der BGH hob hervor: „Der Besteller genügt seiner Darlegungslast, wenn er Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Unternehmers zuordnet, genau bezeichnet. Zu den Ursachen der Mangelerscheinung muss der Besteller nicht vortragen. Ob die Ursachen der Mangelerscheinung tatsächlich in einer vertragswidrigen Beschaffenheit der Leistung des Unternehmers zu suchen sind, ist Gegenstand des Beweises und nicht des Sachvortrags (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 – VII ZR 488/00, BauR 2002, 784, 785 = NZBau 2002, 335 m.w.N.).“
    BGH, Urteil vom 05.06.2014 – VII ZR 276/13
  • Fazit
    Der Bundesgerichtshof wendet damit seine bekannte Rechtsprechung vom Baurecht auch im Softwarerecht an und belegt den Gleichlauf der beiden Rechtsgebiete an dieser Stelle bemerkenswerterweise durch ein Zitat einer Entscheidung aus dem Baurecht. Genauso wenig wie ein Besteller einer Werkleistung im Baurecht bei Feuchteschäden für einen schlüssigen Sachvortrag darlegen muss, welchen Weg das Wasser genommen hat, bis es als Wasserschaden sichtbar wurde, muss der Besteller einer Softwareleistung zu den Ursachen des Nichtfunktionierens der Software vortragen. Es genügt die Beschreibung der Mangelerscheinungen („des Mangelsymptoms“).