Zugang elektronischer Willenserklärungen

Für elektronische Willenserklärungen, die über das Internet oder per E-Mail abgegeben werden gelten die Grundsätze über den Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden gemäß § 147 Abs. 2 BGB, so dass es für den Zugang der Erklärung darauf ankommt, wann sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und wann unter normalen Umständen mit ihrer Kenntnisnahme zu rechnen ist.

Per E-Mail abgegebene Erklärungen gelangen bereits dann in den Machtbereich des Empfängers, wenn sie auf dem Mail-Account des Empfängers eingehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Empfänger selbst oder ein Dritter den Account betreibt, da in beiden Fällen der Abruf durch den Empfänger möglich und vorgesehen ist. Hinsichtlich der Frage, wann unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme einer E-Mail zu rechnen ist, wird üblicherweise zwischen privater und geschäftlicher Nutzung eines E-Mail Accounts unterschieden. Bei geschäftlich genutzten Accounts wird aus der Öffnung des schnellen Kommunikationskanals E-Mail darauf geschlossen, dass das Postfach regelmäßig in kürzeren Abständen abgerufen wird. Der Zugang gilt somit regelmäßig bereits dann als bewirkt, wenn die Nachricht zu den gewöhnlichen Geschäftszeiten im Postfach des Empfängers beim Internet-Provider eingeht. Beim Eingang außerhalb der Geschäftszeiten gilt der Zugang am nächsten Werktag als bewirkt.

Bei Privatpersonen wird nicht erwartet, dass sie ihren E-Mail-Account regelmäßig und mehrmals täglich abrufen. Der Zugang wird daher regelmäßig davon abhängig gemacht, dass der Empfänger die Nachricht tatsächlich abruft bzw. erhält.

Bei der Abgabe von elektronischen Willenserklärungen über das Internet erfolgt die Willenserklärung regelmäßig dadurch, dass eine vorformulierte Erklärung durch Anklicken oder Tastatureingabe abgegeben wird. Der Zugang gilt hier, wie unter Abwesenden, erst dann als bewirkt, wenn nach dem gewöhnlichen Geschäftsverlauf mit einer weiteren Bearbeitung der übermittelten Nachricht gerechnet werden kann. Erfolgt aber unabhängig von den herkömmlichen Geschäftszeiten eine sofortige automatisierte elektronische Bearbeitung einer eingegangen Nachricht (z.B. einer Bestellung), tritt der Zugang bereits mit der Weiterverarbeitung ein. Einer Möglichkeit der (menschlichen) Kenntnisnahme bedarf es in diesen Fällen nicht.

An den genannten Grundsätzen des Zugangs einer Willenserklärung ändert auch die aufgrund Art. 11 der E-Commerce-Richtlinie ins deutsche Recht eingeführte Zugangsfiktion des § 312 i Abs. 1 S. 2 BGB nichts. Bestellung und Empfangsbestätigung gelten danach als zugegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie unter gewöhnlichen Umständen abrufen können. Dies entspricht der oben geschilderten Auffassung zum Zugang elektronischer Willenserklärungen und hat daher lediglich klarstellende Bedeutung bzw. dient der transparenten Umsetzung von Art. 11 Abs. 1 2. Spiegelstrich E-Commerce-Richtlinie.