Gericht: | Bundesgerichtshof |
Aktenzeichen: | StbSt (R) 2/10 |
Entscheidungsdatum: | 01.09.2010 |
Normen: | StBerG § 57 Abs. 1, § 57a; BOStB § 10 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem berufsgerichtlichen Verfahren
gegen
den Steuerberater
wegen Berufspflichtverletzung
Der 5. Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. September 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter (…),
Richter (…),
Richter (…),
Steuerberater
Steuerberater
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsrätin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Celle Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen vom 3. Dezember 2009 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Steuerberaters fallen der Steuerberaterkammer zur Last.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Hannover hat gegen den Steuerberater die berufsrechtliche Maßnahme eines Verweises wegen eines Verstoßes gegen das Gebot gewissenhafter Berufsausübung unter Verzicht auf berufswidrige Werbung (§ 57 Abs. 1 StBerG) ausgesprochen. Der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts Celle hat dieses Urteil auf die Berufung des Steuerberaters aufgehoben und den Steuerberater freigesprochen; die Revision hat es zugelassen (§ 129 Abs. 2 StBerG). Die auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts verwendete der Steuerberater seit dem Jahre 2006 eine Internet-Domain mit der Bezeichnung „www.steuerberater-suedniedersachsen.de“. Er will damit zum Ausdruck bringen, dass er eine Kanzlei betreibt, die für diesen regional abgegrenzten Raum handelt. Die unter dieser Domain betriebene Homepage wird insbesondere dafür genutzt, die Kanzlei und ihre Mitarbeiter vorzustellen und auf Veranstaltungen hinzuweisen. Daneben existiert ein Mandantenbereich, in den Buchhaltungsdaten eingestellt werden können. Auf den von der Kanzlei verwendeten Briefbögen und Visitenkarten wie auch auf dem Kanzleischild findet sich die genannte Domainbezeichnung als Internetadresse.
2. Die vom Steuerberater verwendete Internet-Domain in Form kombinierter Merkmale einer Gattung und einer Region stellt entgegen der Annahme der revisionsführenden Staatsanwaltschaft keine unerlaubte Werbung im Sinne von § 57 Abs. 1, § 57a StBerG dar.
a) Gemäß § 57a StBerG ist dem Steuerberater Werbung erlaubt, soweit diese über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Diese Bestimmung hat in den §§ 10, 20 BOStB teilweise nähere Ausgestaltung erfahren. Nach § 10 Abs. 2 BOStB darf der Steuerberater über seine Dienstleistung und seine Person informieren, solange die Angaben sachlich nachprüfbar und nicht berufswidrig sind. Diesen Rahmen hat der Steuerberater hier nicht überschritten.
b) Zwar dient die Einrichtung einer Internet-Domain durch einen Steuerberater regelmäßig dazu, Mandanten zu gewinnen, und stellt damit Werbung im weitesten Sinne gemäß §§ 8, 57a StBerG dar (vgl. BGH NJW 2003, 504; Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz 6. Aufl. § 57a Rdn. 9, 41). Eine irreführende und damit unerlaubte Werbung liegt hier allerdings nicht vor. Der aus dem Gattungsbegriff der Steuerberatung und einem regional eingegrenzten Tätigkeitsgebiet kombinierte Domainname kann bei dem insoweit korrespondierend mit den Kriterien des allgemeinen Wettbewerbsrechts (vgl. BGHZ 153, 61, 65) maßgeblichen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der das fragliche Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt (vgl. BGHZ 148, 1, 7; 153, 61, 66; BGH NJW 2003, 504, 505), nach der Lebenserfahrung nicht die Gefahr einer Irreführung bewirken.
aa) Mit der Domain „www.steuerberater-suedniedersachsen.de“ berühmt sich der Steuerberater schon keiner Sonderstellung unter den im südlichen Teil Niedersachsens praktizierenden Steuerberatern. Anderes lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Domainname nur ein einziges Mal vergeben wird und sämtliche anderen, in derselben Region gleichfalls ansässigen Steuerberater aufgrund dessen nicht ebenfalls damit werben können. Das geltende und im Verkehr bekannte Prioritätsprinzip bei der Domainvergabe besagt nichts darüber, ob der Name zu Recht gewählt und vergeben wurde (vgl. BGHZ 153, 61, 67; OLG Hamm MMR 2009, 50).
bb) Auch lässt es die Größe der mit dem Domainnamen in Bezug genommenen Region von vornherein ausgeschlossen erscheinen, dass ein Benutzer bei Inanspruchnahme dieses Internetangebots von der irrigen Vorstellung geleitet wird, hier die einzige Steuerberatungskanzlei in „Südniedersachsen“ zu finden; eine Alleinstellungsbehauptung des Steuerberaters ist daher nicht gegeben (vgl. Gehre/Koslowski aaO Rdn. 42).
cc) Überdies ist die Gefahr einer Kanalisierung von Rechtsuchenden, die an den Dienstleistungen eines Steuerberaters interessiert sind, gering. Diese werden allenfalls zufällig neben dem Gattungsbegriff die gerade nicht an einen Landkreis gekoppelte und daher wenig präzise regionale Umschreibung „Südniedersachsen“ wählen. Das gilt umso mehr, als sich der Steuerberater im Domainnamen eines bestimmten Artikels ebenso enthalten hat wie jedes anderen Zusatzes, der seine Kanzlei über die übrigen Kanzleien hervorzuheben geeignet wäre (vgl. OLG Hamm aaO S. 51).
dd) Soweit die Revision eine Gefahr der Irreführung von Internetnutzern schließlich darin erblickt, dass der Domainname auf ein Verzeichnis der im Süden Niedersachsens tätigen Steuerberater oder gar einen Berufsverband und nicht auf eine einzelne Kanzlei hindeute, so offenbart auch dies keinen Rechtsfehler, obgleich eine solche Interpretation des Domainnamens nicht von vornherein fern liegt. Eine solche Vorstellung eines Internetbenutzers wird nach der Kenntnisnahme eines Internetnutzers von der Homepage des Steuerberaters sofort und damit hinreichend korrigiert (vgl. BGHZ 153, 61, 68; BGH NJW 2003, 504, 505). Auch deshalb ist davon auszugehen, dass der Domainname ungeeignet ist, die Internetnutzer in ihrer Entscheidung über die Mandatierung eines Steuerberaters zu beeinflussen (vgl. zu diesen Kriterien nur Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG 28. Aufl. § 5 Rdn. 2.169 m.w.N.).
(Unterschriften)