Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 04.05.2000, Az. 3 U 197/99 – „kulturwerbung.de

Gericht: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Aktenzeichen: 3 U 197/99
Entscheidungsdatum: 04.05.2000
Normen: MarkenG §§ 5, 15
Leitsätze der Redaktion:
Dem Inhaber des Unternehmenskennzeichens „Kulturwerbung Nord“ steht gegen den Verwenders des Domainnamens Kulturwerbung.de ein kennzeichenrechtlicher Unterlassungsanspruch gem. §§ 5, 15 MarkenG zu. Dem Begriff Kulturwerbung Nord kommt zumindest eine geringe Unterscheidungskraft zu. Dass die Antragstellerin den Zusatz „Nord“ verwendet, kann den Verkehr nicht vor Irrtümern bewahren, denn er kann glauben, die Antragstellerin habe auf einen nur beschreibenden Zusatz verzichtet oder sie stehe in wirtschaftlichem oder organisatorischem Zusammenhang mit einem Internetanbieter, der nicht auf den Norden beschränkt ist.
Tatbestand:

Die Antragstellerin war seit 1992 im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter der Firma „K………..“ eingetragen. Seit dieser Zeit befasst sie sich mit dem Plakataushang von Werbung für kulturelle Veranstaltungen in und um Hamburg. Ihre Auftraggeber sind Musik- und Konzertveranstalter, Theater und ähnliche Unternehmen, sie vermittelt außerdem Aufträge für bundesweite Plakatierungen an Kooperationspartner. Im Verkehr tritt sie nach ihrem Vorbringen unter der Bezeichnung „K…………..N……..“ auf. Mit Beschluss vom 19. Januar 2000 haben ihre Gesellschafter den Bestandteil „A…….E…..“ gestrichen.

Die Antragsgegnerin mit Sitz in Düsseldorf betätigt sich in verschiedenen deutschen Städten auf dem gleichen Gebiet unter der Firma „H…………..“. Sie hat sich die Internetkennung „Kultur………..de“ reservieren lassen, ohne sie bisher benutzt zu haben.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung verboten,

als Domainadresse die Bezeichnung „Kultur………….de“ zu verwenden.

Gegen die Bestätigung des Verbots im Widerspruchsverfahren wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus §§ 5, 15 MarkenG.

1. Die Antragstellerin kann für „K……………….N……..“ Schutz beanspruchen, weil es sich sowohl um einen kennzeichnungskräftigen Bestandteil ihrer Gesamtfirma (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, vor § 5, Rdnr. 18) als auch um eine besondere Bezeichnung ihres Unternehmens handelt (a.a.O., Rdnr. 19). Dass sie unter dieser Bezeichnung im Rechtsverkehr auftritt, ist durch die eidesstattliche Versicherung ihres früheren Geschäftsführers und durch das vorgelegte Geschäftspapier glaubhaft gemacht.

Die Unterscheidungskraft der Bezeichnung „K……………….N……..“ ist für ein Unternehmen, das Plakate zur Werbung für kulturelle Veranstaltungen aushängt, wegen des einer Beschreibung nahe kommenden Inhalts von Hause aus gering, kann ihr deshalb aber noch nicht schlechthin abgesprochen werden. Das liegt daran, dass das Wort „Kultur…………..“ keinen spezifischen Sinn hat, der es geeignet macht, die von einem Unternehmen angebotenen Leistungen zu beschreiben. Werbung ist für Waren oder Dienstleistungen möglich, Kultur ist aber ein so umfassender Begriff, dass sich mit ihm bestimmte Waren oder Dienstleistungen nicht unmittelbar in Verbindung bringen lassen. Letztlich „kann mit dem Begriff K. alles bezeichnet werden, was der Mensch geschaffen hat, was also nicht naturgegeben ist“ (Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Auflage, Bd. 12, s.v. „Kultur“), und selbst in seiner Eingrenzung auf soziale Institutionen, „die zu ihren Aufgaben die Pflege der gesamtgesellschaftl. erforderlichen Werte und Leitbilder zählen“, ergibt sich keine Zuordnung zu bestimmten Waren oder Dienstleistungen.

Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Belege weisen nichts Anderes aus, denn sie machen nur die von ihr selbst betonte Vielfalt im Gebrauch dieses Begriffes deutlich. Ein Seminar über „Kultur………… und kunstgerechte Gestaltung von Büchern“ lässt nicht entfernt an das Plakatieren für kulturelle Veranstaltungen denken, und das Sachgebiet „Kultur…………..“ der Stadt Brandenburg umfasst die Aufgaben: „Veranstaltungskalender, Kulturinformation, Publikationen, Kulturdatenbank“. Irgendetwas Verwandtes muss zwar Unternehmensgegenstand sein, aber niemand weiß allein auf Grund des Begriffes genau, für welche Waren oder Dienstleistungen die Bezeichnung steht.

Der Zusatz „N……“ verstärkt die Fähigkeit der Gesamtbezeichnung, individualisierend auf das Unternehmen hinzuweisen. Zwar ist das Wort „N……“ als Regionalbezeichnung allein ohne Kennzeichnungskraft, aber in der Kombination trägt er zu einem gewissen Maß an Eigentümlichkeit bei, denn das Begriffspaar „K……………….N……..“ gehört mit Sicherheit nicht zum allgemeinen Sprachschatz. Auch in den Tochterfirmen der Antragsgegnerin, „…. Kultur………….. Bremen – Hannover GmbH“ und „…. Kultur………….. Rhein/Main GmbH“, findet sich eine vergleichbare Kombination, die eine Individualisierung ermöglicht.
Besteht eine solche, wenn auch geringe Unterscheidungskraft bereits ursprünglich, dann kann jede Benutzung die Bezeichnung nur erstarken lassen, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Antragstellerin hinreichend zu ihrer Durchsetzung im Verkehr vorgetragen hat.

2. Die Antragsgegnerin verletzt die Antragstellerin in ihrem Recht an der Bezeichnung „K……………N…..“, wenn sie die Internetkennung „Kultur………de“ verwendet. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Internetkennung grundsätzlich geeignet, kennzeichnend auf denjenigen hinzuweisen, der als Person oder Unternehmen über sie erreichbar ist. Nur wenn die Möglichkeit ausscheidet, daß der „Domain-Name“ auf ein Subjekt hinweisen soll, weil etwa ein reiner Gattungsbegriff gewählt worden ist, kann der Verkehr ihn nicht kennzeichnend verstehen (Urteil vom 5. November 1998 – 3 U 130/98 – emergency[= JurPC Web-Dok. 21/1999, Anm. der Red.]).

Das bedeutet aber nicht, dass ein Gattungsbegriff in der Kennung niemals kennzeichnend sein kann. Entscheidend ist, ob die „Domain“ vom Verkehr als bloße „Adresse“ verstanden wird (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rdnr. 19; Fezer, Markenrecht, 2. Auflage, § 3 Rdnr. 305), die man erst einmal aufsuchen muss, um auf jemand Bestimmtes zu stoßen, und das hängt wiederum von den Besonderheiten des Einzelfalles ab. Es liegt im Wesen der Internetkennung, dass sie einmalig ist und einmalig sein muss, um ein bestimmtes Subjekt im Internet erreichbar zu machen. Sie ist die einzige Möglichkeit, den Teilnehmer als Subjekt anzusteuern und ihn in seiner Identität zu fassen, insoweit stehen keine Alternativen zur Verfügung. Deshalb liegt es in der Natur der Sache, daß ihr eine kennzeichnende Funktion immanent ist, und sie wird – wenn sie in ihrer Bildung diese Funktion erfüllen kann – vom Verkehr auch so verstanden. So versuchen die Subjekte des virtuellen Verkehrs im Internet, ihren Namen in die Adresse zu übernehmen, um auch hier in möglichst fassbarer Identität in Erscheinung zu treten. Nur dieser Umstand macht es verständlich, dass immer wieder der Versuch gemacht wird, sich die Namen großer Unternehmen oder Organisationen eintragen zu lassen, um über Abstandszahlungen, Lizenzgebühren oder Aufträge daraus Geld zu schlagen (vgl. Ubber, Rechtsschutz bei Mißbrauch von Internet-Domains, WRP 1997, 497, 500 f.).

Dies alles weiß der Verkehr, und so ist er auch zunächst geneigt, die „domain“ als kennzeichnend zu verstehen. Darüber hinaus ist ihm selbstverständlich geläufig, dass in Firmennamen Gattungsbegriffe erscheinen können, so dass deren Gebrauch allein ihn nicht abhält, an ein Internetsubjekt zu denken. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die ihn davon abhalten, hinter der Kennung ein Subjekt zu vermuten. Entscheidend ist, ob er davon ausgeht, dass ihn, wenn er die „domain“ anwählt, Informationen zu dem in ihr enthaltenen Gattungsbegriff erwarten. Das setzt voraus, dass der Verkehr mit dem Gattungsbegriff bereits bestimmte Vorstellungen verbindet, die er vertiefen möchte, denn nur dann kann überhaupt ein Bedürfnis bestehen, gerade zu dieser Gattung im Internet Informationen einzuholen. Der Nutzer ist in keiner anderen Lage als jemand, der zu einem bestimmten Begriff nähere Einzelheiten in einem Lexikon sucht. Er wird dieses gar nicht erst aufschlagen, wenn er den Begriff dort nicht als Stichwort erwartet, und dazu hat er besonders dann wenig Veranlassung, wenn er ihm bisher nicht begegnet ist. Unter einem so unspezifischen Begriff wie „Kultur…………..“ kann sich der Verkehr im Regelfall nichts Konkretes vorstellen. Als allgemeiner Begriff wird ihm das Wort bisher kaum einmal begegnet sein, er wird es auch nicht in einem Lexikon erwarten. Dann liegt für ihn die Annahme aber außerordentlich nahe, dass der Begriff „Kultur…………..“ deshalb in der Kennung erscheint, um ein Internetsubjekt kenntlich zu machen, in dessen Unternehmensbezeichnung dieser Begriff ebenfalls auftaucht. Damit ist die Verwechslungsgefahr bei identischem Dienstleistungsangebot offensichtlich.

Dass die Antragstellerin den Zusatz „N……“ verwendet, kann den Verkehr nicht vor Irrtümern bewahren, denn er kann glauben, die Antragstellerin habe auf einen nur beschreibenden Zusatz verzichtet oder sie stehe in wirtschaftlichem oder organisatorischem Zusammenhang mit einem Internetsubjekt, das nicht auf den N….en beschränkt ist. Zusätze in der Internet-Kennung, die solche Rückschlüsse nicht erlauben, würden hingegen Irrtümern des Verkehrs vorbeugen.

3. Angesichts des Verkehrsverständnisses kann sich die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg auf § 23 Nr. 2 MarkenG berufen. Versteht der Verkehr das Wort „Kultur…………..“ in der Kennung als individualisierenden Hinweis auf ein Subjekt, wird es eben auch nicht als beschreibende Angabe verwandt.

Dass dies auch den Absichten der Antragsgegnerin entspricht, ergibt sich im Übrigen aus ihrem letzten Schriftsatz, denn dort hat sie vorgetragen, dass sie die Organisation und Koordinierung der Auftritte im Internet für Tochter- und Beteiligungsgesellschaften übernommen habe, die den Firmenbestandteil „Kultur…………..“ führen. Damit ist unstreitig, jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin selbst auf diese Weise am geschäftlichen Verkehr teilnehmen will. Mit der Reservierung hat sie deshalb die Begehungsgefahr begründet, die Kennung in rechtsverletzender Weise zu verwenden. Dafür spricht auch, dass sie nicht bestritten hat, mit der Gesellschaft in Zusammenhang zu stehen, die in Hamburg unter der Firma „…. Kultur………….. Hamburg GmbH“ von der Hamburger Außenwerbung GmbH und der Stadtkultur GmbH in Düsseldorf gegründet wurde und der diese Firmierung auf Antrag der Antragstellerin durch einstweilige Verfügung verboten worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.