LG München I, Urteil vom 10.02.2010, Az. 37 O 19801/09 – Kein kartellrechtlicher Anspruch des Bayerischen Rundfunks auf zweistellige Domain „br.de“

Gericht: Landgericht München I
Aktenzeichen: 37 O 19801/09
Entscheidungsdatum: 10.02.2010
Normen: GWB § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 20; ZPO § 32; Registrierungsrichtlinien der DENIC
Leitsätze der Redaktion:
Der Bayerische Rundfunk hat keinen Anspruch aus Kartellrecht auf Registrierung der Domain „br.de“. Zwar unterfällt die DENIC als Monopolistin dem Anwendungsbereich des § 20 GWB; das in ihren Registrierungsrichtlinien verankerte Prioritätsprinzip („First come, first served“) zielt jedoch auf die größtmögliche Gleichbehandlung sämtlicher Antragsteller und ist insofern diskriminierungsfrei.

Aus früheren – vor der offiziellen Freigabe gestellten und von der DENIC abgelehnten – Anträgen auf Registrierung der Domain „br.de“ lassen sich keine Priorität und kein späterer Registrierungsanspruch herleiten. Denn durch die Ablehnung ist zwischen Antragsteller und der Registrierungsstelle gerade kein Vertrag zustande gekommen.

LANDGERICHT MÜNCHEN I
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit

Bayerischer Rundfunk, AdöR (…)

gegen

DENIC Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft e.G., (…)

wegen einstweiliger Verfügung

erlässt das Landgericht München I, 37. Zivilkammer, durch (…) folgendes

Endurteil

I. Die einstweilige Verfügung vom 21.10.09 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 20.10.09 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin Sicherheit in gleicher Höhe vor Vollstreckung leistet.

Tatbestand:

Die Antragstellerin macht einen kartellrechtlichen Sicherungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend.

Die Antragstellerin ist ein Rundfunkveranstalter, der seit vielen Jahrzehnten Hörfunk und Fernsehen redaktionell vorbereitet und sendetechnisch ausstrahlt. Ihre Darstellungen redaktioneller Art sind auch online abrufbar unter der Domain www.br-online.de. Die Domain www.br.de ist bisher nicht registriert. In welchem Umfang die Antragstellerin das Kürzel „br“ nutzt und welchen Bekanntheitswert dieses Kürzel hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Antragstellerin macht ausdrücklich keine kennzeichenrechtlichen Ansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend.

Die Antragsgegnerin ist eine in Frankfurt am Main geschäftsansässige Genossenschaft, die für die Registrierung von Second Level Domains (SLD) unter der Top-Level-Domain (TLD) „de“ die ausschließlich ansprechbare und zuständige Stelle ist. Bis zum Jahr 2009 hat die Antragsgegnerin zweistellige SLD nicht registriert. Sie hat dabei nicht unterschieden, ob es sich um einfache zweistellige SLD’s handelte oder um solche, die zugleich einem KFZ-Kennzeichen oder einer TLD entsprechen (wie „br“ für Brasilien). Mit Urteil des OLG Frankfurt vom 29.4.2008 (Az.: 11 U 32/04 kart – vw.de), rechtskräftig durch Nichtannahmebeschluss des BGH vom 29.9.2009, wurde die Antragsgegnerin verurteilt, für die Volkswagen AG die zweistellige Domain vw.de zu registrieren. Die Antragstellerin hatte die Registrierung zweistelliger Domains u.a. wegen technischer Probleme abgelehnt.

Die Antragstellerin stellte am 8.7.2008 (AST 1) bei der Antragsgegnerin einen Registrierungsantrag für die Domain „br.de“, der noch am 8.7. abgelehnt wurde (AST 3).

Ein nochmaliger Antrag der Antragstellerin vom 6.7.2009 (AST 4) wurde mit Schreiben vom 20.7.2009 (AST 5) u.a. aus technischen Gründen zurückgewiesen. Nach den bis dahin geltenden DENIC-Domain-Richtlinien (AST 13) war die Registrierung zweistelliger Domains und TLD-Domains nicht vorgesehen.

Die Antragsgegnerin gab durch eine Pressemitteilung Mitte Oktober 2009 (u.a. Spiegel-Online-Ticker vom 16.10.2009, Anlage AST 24) bekannt, dass ab 23.10.2009, 9.00 Uhr auch zweistellige Domains angemeldet werden können, die dann nach dem Prinzip „First come first served“ registriert würden. Eine irgendwie geartete Vorregistrierung für Inhaber wichtiger Kennzeichenrechte oder Einrichtungen sollte nicht vorgesehen sein.

Die Antragsgegnerin registrierte am 23.10.2009 um 8.07 Uhr vor dem vorgesehenen Startschuss von 9.00 Uhr die Domain „o2.de“. Das Telekommunikationsunternehmen T(…) hatte gegen die Antragsgegnerin in einem vor dem Landgericht Frankfurt am Main rechtshängigen Verfahren auf Registrierung der zweistelligen Domain o2.de geklagt, nachdem ihr Registrierungsantrag abgelehnt worden war.

Die Antragstellerin behauptet, dass es bei der Registrierung zweistelliger Domains insbesondere auch von TLD-Domains keine technischen Probleme gäbe. Die möglicherweise bei der Resolver-Software des Standards 4 vorhandenen Probleme würden bei der heute verwendeten Resolver-Software des Standards 9 nicht mehr existieren. Die Ablehnung zweistelliger Domains sei daher technisch nicht gerechtfertigt gewesen.

Die Ablehnungen der Registrierungsanträge vom 8.7.2008 und 6.7.2009 seien kartellrechtswidrig erfolgt. Die Antragsgegnerin sei Normadressatin des GWB als Monopolistin. Gleichartiger Geschäftsverkehr im Sinne des GWB seien alle SLD, nicht nur die zweistelligen. Für eine Ablehnung zweistelliger gegenüber mehrstelliger SLD gäbe es keinen sachlichen Grund. Bei der Antragsgegnerin seien darüber hinaus bereits vor 2008 zweistellige SLD registriert worden, nämlich ix.de, hq.de und db.de. Die Ablehnung der Domain br.de sei daher willkürlich. Auch die Registrierung von o2.de vor dem Startschuss um 9.00 Uhr sei im Verhältnis zur Antragstellerin willkürlich.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass ihre abgelehnten Anträge vom 8.7.2008 und 6.7.2009 ihr einen Prioritätsstatus zum Startschuss am 23.10.2009, 9.00 Uhr verschaffen würden, da diese kartellrechtswidrig abgelehnt worden seien.

Die Antragsstellerin beantragte am 20.10.2009 den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Landgericht München I hat am 21.10.2009 folgende dem Antrag entsprechende einstweilige Verfügung erlassen:

„Der Antragsgegnerin wird bei Meidung von Ordnungsmitteln verboten,

den Second-Level-Domain-Namen „br“ unter der Top-Level-Domain „.de“ als br.de zugunsten eines Dritten zu registrieren und zu konnektieren.“

Die Antragsgegnerin beantragt,

Aufhebung der einstweiligen Verfügung und Zurückweisung des Antrags.

Die Antragstellerin beantragt,

Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

Hilfsweise beantragt die Antragstellerin, für den Fall der Aufhebung der einstweiligen Verfügung

Dass das mit der Beschlussverfügung angeordnete Verbot erst entfällt mit Unanfechtbarkeit des vorliegenden Urteils.

Die Antragsgegnerin beantragt,

Zurückweisung des Hilfsantrags.

Die Antragsgegnerin rügt zunächst die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I. Sämtliche Handlungen, welche der Antragsgegnerin vorgeworfen würden bzw. welche von ihr begehrt würden, hätten ihren Bezug ausschließlich in Frankfurt am Main, da dort der Sitz der Antragsgegnerin sei. Zwischen der Registrierung und der Konnektierung einer Domain liege tatsächlich eine Zäsur, nämlich die autonome Entscheidung des Domaininhabers, auf seinem Rechner eine Website zu hinterlegen. Erst damit sei die Domain generell und damit auch in München aufrufbar.

Die Antragsgegnerin behauptet, dass trotz der nunmehrigen Entscheidung, auch zweistellige Domains zu registrieren, nach wie vor in geringem Umfang noch technische Probleme bestünden, wenn eine TLD als SLD registriert würde. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des OLG Frankfurt am Main.

Die Antragsgegnerin behauptet, dass für die Domain br.de ein noch älterer Antrag vom 3.8.2007 eines anderen Antragstellers existiere, der noch am 3.8.2007 als zweistellige Domain zurückgewiesen worden sei (AG 28). Wenn die ursprünglichen Anträge der Antragstellerin wegen ihrer möglicherweise kartellrechtswidrigen Ablehnung wieder auflebten, dann sei aber der Antrag vom 3.8.2007 auf jeden Fall prioritätsälter.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass sie nicht Normadressatin des GWB sei, die Antragstellerin hätte nicht ausreichend zur marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin vorgetragen. Die Leitung der Antragsgegnerin sei substituierbar durch andere TOP-Level-Domain, d.h., die Antragstellerin könne ihre Domain nicht nur über eine „.de“-Domain anmelden, sondern auch in anderen Ländern. Die Nutzer des Internets würden häufig eine Website bei Suchmaschinen suchen ohne Angabe der TLD. Die TLD spiele daher heute nur noch eine untergeordnete Rolle für die Auffindbarkeit der Website eines Unternehmens, so dass sie leicht durch eine andere TLD ausgetauscht werden könne.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass die Vergabe freier Domains nach dem Prioritätsprinzip keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Antragstellerin darstelle. Die vor dem Startschuss erfolgte Registrierung der Domain „o2.de“ sei im Rahmen eines rechtshängigen Rechtsstreits erfolgt, der daraufhin für erledigt erklärt worden sei. Die Antragsgegnerin habe sich durch das Urteil des OLG Frankfurt in aussichtsloser Lage befunden und deshalb registriert. Der ursprüngliche Registrierungsantrag von T(…) sei durch die rechtshängige Klage noch nicht erloschen gewesen und hätte daher sowieso berücksichtigt werden müssen.

Die Domain ix.de, hq.de und db.de seien (unstreitig) noch vor 1994 von der Vorgängerin der Antragsgegnerin registriert worden, als es noch keine Richtlinien, insbesondere das Verbot zweistelliger Domains, gegeben habe. Für diese drei alten Domains würde deshalb Bestandsschutz gelten. Die Antragsgegnerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, diese Domains nach ihren später entstandenen Richtlinien zu kündigen.

Hinsichtlich der Registrierungsanträge der Antragstellerin von 2008 und 2009 ist die Antragsgegnerin der Ansicht, dass diese erledigt seien. Nach der Ablehnung durch die Antragsgegnerin hätte die Antragstellerin neue Anträge stellen müssen. Es handele sich hier um Angebot und Annahme im Sinne eines zivilrechtlichen Vertrags. Bei der Vielzahl von Anmeldungen sei es auch technisch nicht sinnvoll, abgelehnte Anmeldungen wieder aufleben zu lassen.

Im Übrigen wird hinsichtlich des Tatbestands auf die vorgelegten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung vom 21.10.2009 war aufzuheben, da die Antragstellerin keinen Anspruch auf Registrierung der Domain br.de gemäß § 20 GWB hat und deshalb auch nicht im Rahmen des Verfügungsverfahrens eine Sicherung der Domain beanspruchen kann.

1. Örtliche Zuständigkeit

Das Landgericht München I ist auch örtlich zuständig (ungeachtet des hilfsweisen Verweisungsantrags der Antragstellerin). Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Domain br.de zu registrieren, wirkt sich unmittelbar am Sitz der Antragstellerin, nämlich in München, aus. Durch die Verweigerung ist es der Antragstellerin unmöglich, entsprechende Inhalte nach der Konnektierung zu hinterlegen, die dann überall, auch bundesweit, aufgerufen werden können. Der „Erfolgsort“ der Verweigerung – und damit der Verletzungshandlung – ist damit auch in München, so dass gemäß § 32 ZPO das Landgericht München I auch zuständig ist.

2. Antragsgegnerin als Normadressatin im Sinne des § 20 GWB

Die Antragsgegnerin hat eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, weil sie auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist. Die TLD „.de“ ist nicht austauschbar mit anderen ausländischen TLDs aus der Sicht desjenigen, der als Unternehmer Inhalte bzw. Angebote hinterlegen will, die auf den deutschen – bzw. bayerischen Markt zugeschnitten sind. Das Fernseh- und Hörfunkprogramm der Antragstellerin wendet sich primär an das deutsche Publikum, gerade auch durch die vielen regionalen Bezüge in den Inhalten. Auch inländische wie ausländische Nutzer dieser Inhalte, die den Internetauftritt der Antragsstellerin über eine Suchmaschine suchen sollten, werden zunächst auf die TLD „.de“ zugreifen, da sie wissen, dass es sich um ein deutsches Programm handelt und deshalb die Originalinhalte auch unter „.de“ hinterlegt sind. Eine ausländische TLD kann daher die originäre deutsche TLD „.de“ nicht ersetzen. Da die Antragsgegnerin für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die einzige Anbieterin ist, ist sie Monopolistin auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt und damit Normadressatin im Sinne des § 20 GWB (vgl. hierzu Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 29.4.2008, Az. 11 U 32/04, AST 19).

3. Keine Diskriminierung bzw. unbillige Behinderung der Antragstellerin

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, zu einem bestimmten Stichtag zu einer bestimmten Uhrzeit Registrierungsanträge für zweistellige Domains nach dem schlichten Prioritätsprinzip „First come first served“ zuzulassen, stellt zunächst eine Gleichbehandlung aller Antragssteller dar, da jeder die gleiche Chance hat, als erster einen Registrierungsantrag zu stellen und damit die begehrte Domain zugewiesen zu bekommen. Da die Antragstellerin ausdrücklich keine kennzeichenrechtlichen Ansprüche auf vorrangige Registrierung erhebt, hat sie – wie jede andere Antragstellerin – die gleiche Chance. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, zunächst eine Karenzzeit („sunrise period“) vorzuschalten, innerhalb der vorrangige Ansprüche bedient werden können, besteht jedenfalls aus kartellrechtlichen Gründen nicht. Das GWB schreibt lediglich diskriminierungsfreies Verhalten vor, nicht jedoch eine optimale Vertragsgestaltung. Da die Antragstellerin bereits über eine eingeführte Domain „br-online.de“ verfügt, auf der alle ihre Medieninhalte hinterlegt sind, ist ihr auch nicht der Zugang zum Internet grundsätzlich verweigert. Da sie also bereits über einen umfassenden Zugang zum relevanten Markt „Internet“ hat, besteht jedenfalls aus kartellrechtlichen Gründen auch kein Anspruch ihr einen weiteren Zugang zu verschaffen. Lediglich der Ausschluss von einem relevanten Markt könnte eine „Belieferungspflicht“ eines Monopolisten auslösen. Eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB besteht daher nicht.

Die Antragsstellerin wurde auch nicht im Verhältnis zu anderen Registrierungen zweistelliger Domains diskriminiert. Die drei alten Domains ix, hq und db wurden unstreitig bereits 1991 bis 1994 von einer Vorläuferin der Antragsgegnerin registriert. Die Registrierung ist also gar nicht durch die Antragsgegnerin erfolgt. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, diesen Domains Bestandsschutz zukommen zu lassen, ist eine sachliche Rechtfertigung im Sinne des § 20 GWB. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, diese Domains nach ihren jetzigen bis 2009 geltenden Richtlinien als zweistellige Domains wieder zu kündigen, besteht nicht. Hier durfte die Antragsgegnerin zwischen Bestandsschutz und neuen Richtlinien abwägen.

Die Registrierung der Domain o2.de am 23.10.2009 um 8.07 Uhr und damit vor dem Startschuss ist ebenfalls diskriminierungsfrei aus sachlichen Gründen erfolgt: Unstreitig hatte sich die Telefongesellschaft gegen die Ablehnung der Registrierung mit einer Klage gewehrt. Zum Zeitpunkt des Startschusses war diese Klage noch rechtshängig. Der alte Antrag ist damit nicht erloschen. Wenn nun die Antragsgegnerin nach dem verlorenen Rechtsstreit vw.de zu der rechtlichen Überlegung kommt, dass sie auch den Prozess o2.de verlieren würde, dann ist es sicher sachlich gerechtfertigt, wenn sie sich entschließt, diese Domain vorab zu registrieren. Als Alternative hätte ihr allenfalls offengestanden, die Domain o2.de vorläufig wegen des anhängigen Rechtsstreites zu blockieren oder aber mit der Registrierung zweistelliger Domains bis zur Rechtskraft zu warten, um hinsichtlich des rechtshängigen Rechtsstreits keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Genauso wenig kann es ihr zum Vorwurf gemacht werden, dass sie nach dem verlorenen Rechtsstreit die Domain vw.de vor dem Startschuss registriert hatte. Auf jeden Fall stellt die Überlegung, den möglicherweise aussichtslosen Rechtsstreit durch freiwillige Registrierung zu beenden, eine sachliche Rechtfertigung dar, diese Domain vor dem Startschuss noch zu registrieren.

Im Übrigen hätte auch der Antragstellerin der Weg offen gestanden, nach der Ablehnung der Registrierungsanträge Klage auf Registrierung zu erheben, um die Domain möglicherweise über eine Freigabe hinüberzuretten.

4. Kein Registrierungsanspruch aus den früheren Anmeldungen vom 8.7.2008 bzw. 6.7.2009

Selbst wenn die Ablehnung der Registrierung der zweistelligen Domain eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 GWB dargestellt haben sollte, so kann die Antragstellerin jetzt im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens daraus keine Rechte herleiten: Diese Anträge wurden abgelehnt. Damit ist kein Vertrag mit der Antragsgegnerin zustande gekommen. Sollte die Antragstellerin aus § 20 GWB einen Anspruch auf Registrierung gehabt haben – wie VW – dann wäre dies ein gesetzlicher Anspruch. Eine Priorität hinsichtlich des Zeitpunktes 23.10.2009 könnte die Antragstellerin aus der Ablehnung nicht herleiten, da diese Antrage ohne weitere Klageerhebung oder Ähnliches erledigt sind. Ob daher die Ablehnungen zu Unrecht erfolgt sind, da möglicherweise die technischen Bedenken der Antragsgegnerin nicht durchgreifen (das Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 29.4.2008 befasst sich mit TLDs als SLD gerade nicht), spielt daher für die Frage, ob die Antragstellerin jetzt einen Registrierungsanspruch gemäß § 20 GWB und damit einen Sicherungsanspruch im Verfügungsverfahren hat, keine Rolle mehr.

5. Hilfsantrag

Der Hilfsantrag ist nicht begründet. Da die zunächst ausgesprochene EV den Hauptanspruch gerade nur sichern sollte, ein Hauptanspruch aber gerade nicht besteht, wäre eine Aufhebung der EV mit gleichzeitiger Suspendierung der Aufhebung ein nicht aufzulösender Widerspruch. Eine solche Suspendierung ist in der ZPO nicht vorgesehen. Es geht hier auch nicht um die Rechtskraft eines Hauptsacheverfahrens, sondern nur um die Nichtanfechtbarkeit einer EV, die aber jederzeit durch einen entgegenstehenden Titel aus einem späteren Hauptsacheverfahren oder im Rahmen eines Aufhebungsantrags zu Fall kommen kann.

6. Kosten: § 91 ZPO, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO

(Unterschriften)

Anmerkung der Redaktion:

Nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung gab die DENIC die Domain „br.de“ am 18. Februar 2010 um 15:00 Uhr zur Registrierung frei. Zwecks Gewährung von Chancengleichheit wandte sie dabei ein besonderes Verfahren an: Registrierungsaufträge hatten unter Verwendung eines gesonderten von der DENIC erstellten Auftragsformulars und unter Nutzung einer eigens für diesen Zweck eingerichteten Sonderrufnummer per Fax zu erfolgen.
Der erste Antragsteller, der an jenem Tag den Antrag vollständig und korrekt ausgefüllt übersandte, war der Bayerische Rundfunk.