Gericht: | LG Stuttgart |
Aktenzeichen: | 17 O 73/11 |
Entscheidungsdatum: | 28.07.2011 |
Normen: | BGB §§ 670, 683; MarkenG § 4, § 14 Abs. 1, Abs. 5, § 15 Abs. 1 und 5; Gemeinschaftsmarkenverordnung Artikel 6, 9 |
Der Betreiber eines Domainparking-Programms haftet als Störer für Markenrechtsverletzungen seiner Kunden, wenn er die Rechtsverletzung nicht binnen einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung abstellt.
Von einer Kenntniserlangung des Domainparking-Seitenbetreibers kann im Einzelfall auch ausgegangen werden, wenn der Rechteinhaber sich bei der Anzeige der Markenverletzung nicht an ein vorgegebenes Meldeprocedere hält. Zudem sind die Anforderungen an den Nachweis der Rechteinhaberschaft nicht zu hoch anzusetzen.
LG STUTTGART
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.820,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.05.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Streitwert: 1.820,00 .
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Notwendigkeit einer außergerichtlichen Abmahnung durch einen Anwalt und die Erstattung der dadurch entstandenen Kosten.
Die Klägerin ist Markeninhaberin der beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) eingetragenen EU-Wortmarke „KWICK“, die eingetragen ist u.a. für Werbung, Online-Werbung, Verbreitung von Werbung für Dritte über das Internet, Anbahnung und Vermittlung von Kontakten, Bereitstellen von interaktiven und elektronischen Portalen, Chatrooms, Chatlines, Videochats und Foren zur Kommunikation zum gegenseitigen Austausch, zum Aufbau und zur Pflege von Freundschaften und Bekanntschaften über das Internet sowie zum Aufbau eines sozialen Netzwerks im Internet, Telekommunikation, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten.
Daneben ist die Klägerin Inhaberin der exklusiven Markenlizenz für die Marke „KWICK“, die beim Deutschen Patent- und Markenamt im Markenregister auf den Geschäftsführer der Klägerin eingetragen ist. Die deutsche Marke „KWICK“ ist u.a. eingetragen für die Klassen Werbung, Telekommunikation, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten und für das Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung.
Die Klägerin betreibt unter der Marke KWICK auf der Domain www.kwick.de ein für den Nutzer kostenloses sog. Social Network, also eine Internet-Community, die hauptsächlich über Werbung finanziert wird.
Die Beklagte ist Internet-Dienstleister und bietet ihren Kunden die Möglichkeit, ein sog. „Domain-Parking-Programm“ zu nutzen. Auf der Homepage der Beklagten können nicht mehr benötigte Domains zum Verkauf angeboten oder zur Generierung von Erlösen durch die Schaltung von Werbung eingestellt werden, Wird die Werbung auf den Seiten der Domaininhaber geklickt, wird der Suchmaschinenbetreiber Google pro Klick von dem werbenden Unternehmen vergütet. Die Beklagte erhält anschließend einen Teil dieser Vergütung, wovon sie wiederum einen Teil an den Domaininhaber abführt. Die Werbeeinblendungen werden auf den von den Domaininhabern zur Verfügung gestellten Domains und dann bei der Beklagten geparkten Seiten von einem Werbeprogramm von Google im Zeitpunkt des Aufrufs der Domain generiert. Die Beklagte hat dabei keinen Einfluss auf die Auswahl der beworbenen Waren, Dienstleistungen oder Unternehmen. Vielmehr bestimmt der Domaininhaber und damit der Kunde der Beklagten einzelne Keywords beim Einstellen der Domain in das Parking-Programm der Beklagten, anhand derer Google die Werbung automatisch auswählt. Dabei parkt nicht die Beklagte die in ihrem Programm vorhandenen Domains, sondern der Kunde und Domaininhaber tut dies selbst.
Der Klägerin gelangte zur Kenntnis, dass im Rahmen des Domain-Parking-Programms der Beklagten die Tippfehler-Domain www.kwwick.de zum Abruf bereit stand. Hierbei wurde auf dieser Internetseite kostenpflichtig für mit der Klägerin in direktem Wettbewerb stehende Unternehmen geworben. Die oben genannte Domain war dabei auf ein US-Amerikanisches Unternehmen mit dem Namen MAYA MARK INC. mit Sitz in Las Vegas, Nevada, USA, registriert.
Die Beklagte hat auf ihrer Homepage (vgl. Anl. K 14) einen Hinweis dazu, wie Rechtsverletzungen zu melden sind. Darin heißt es u. a. wie folgt:
„Ihre Benachrichtigen an Sedo über eine Rechtsverletzung durch einen Sedo-Kunden muss folgendes enthalten:
…
2. Nachweis über die gegebenenfalls verletzten Rechte bzw. Rechtsgüter
a. Im Falle von Marken: Kopie der Markenurkunde aus der sowohl der räumliche Schutzbereich der Marke als auch die Schutzklassen und die geschützten Güter und/oder Dienstleistungen hervorgehen (bitte beachten Sie, dass das Beifügen eines Links zu einer Online-Markendatenbank allein nicht ausreichend ist; Beschwerdeführer die ihre Beschwerde per Email einreichen, können jedoch ihre Markenurkunde einscannen oder einen Screenshot eines Online-Markenbankauszuges beilegen).
…
4. Eine kurze Erklärung, weshalb die Registrierung oder konkrete Verwendung des Domainnamens bzw. der Domainnamen durch den Domain-Inhaber eine Verletzung der nachgewiesenen Rechte bedeutet. Bitte beachten Sie, dass allein die Registrierung eines Domainnamens nur in seltenen Fällen eine Markenrechtsverletzung darstellt.
…“.
Als Mailadresse für die Meldung von Rechtsverletzung wird auf dieser Seite die Adresse legal@… angegeben.
Am 12.04.2010 sendete eine Angestellte aus dem Sekretariat der Klägerin der Beklagten eine E-Mail an die im Impressum der Homepage der Beklagten angegebene Adresse kontakt@… Hierin teilte Frau B (Sekretariat) „im Namen der Geschäftsführung“ der Beklagten mit, dass der Domaininhaber der Seite www.kwwick.de diese in das Domain-Parking-Programm der Beklagten eingefügt habe und hierauf Werbung für direkte Konkurrenten der Klägerin eingeblendet werde. Ferner schrieb die Angestellte der Klägerin in der E-Mail, dass die Domainnutzung das Markenrecht der Klägerin verletze. Daher forderte sie die Beklagte auf, für die Beseitigung der Störung zu sorgen (siehe AS 5).
Daraufhin erhielt die Verfasserin der ersten E-Mail am selben Tag von der Beklagten eine automatisch generierte E-Mail, in der das Anliegen der Klägerin mit einer sog. Ticket-Nummer versehen wurde (siehe AS 6). Dies ist bei der Beklagten üblich.
Am 13.04.2010 erhielt die Verfasserin der ersten E-Mail schließlich eine weitere E-Mail der Beklagten. Hierin bat die Beklagte die Klägerin, zur Prüfung, ob eine Markenrechtsverletzung vorliegt, eine Kopie der Markenurkunde per Fax oder als Datei per E-Mail an legal@… zu übersenden (siehe AS 8). Die Klägerin kam dieser Aufforderung nicht nach.
Vielmehr ließ die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2010 durch ihre Prozessbevollmächtigten förmlich abmahnen und forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 30.04.2010 sowie zur Erstattung der der Klägerin durch die Abmahnung entstandenen anwaltlichen Kosten in Höhe von 1.820,- bis zum 07.05.2010 auf. Die Erstattung dieser Kosten macht die Klägerin vorliegend geltend.
Die Beklagte gab daraufhin mit Schreiben durch ihren Prozessbevollmächtigten vom 28.04.2010 eine abgeänderte strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung hinsichtlich der Nutzung der Domain www.kwwick.de im geschäftlichen Verkehr ab. Hiernach sperrte die Beklagte die oben genannte Domain und setzte sie auf eine sog. blacklist. Die Übernahme der Kosten der förmlichen Abmahnung verweigerte die Beklagte unter Hinweis auf fehlende Kenntnis der Markenverletzung bis zum Erhalt der anwaltlichen Abmahnung am 27.04.2010.
Bereits im Jahr 2008 (vgl. Anl. K 12) gab es Kontakt zwischen den Parteien bezüglich Tippfehler-Domains. Der Mailverkehr wurde damals u. a. auch über die Domain legal@… abgewickelt.
Die Klägerin ist der Auffassung,
die Beklagte sei durch die Mail vom 12.04.2010 Störerin der Markenverletzung geworden. Es sei Aufgabe der Beklagten, dass diese an die richtige Stelle weitergeleitet wird. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, diese Meldung an legal@… zu machen. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, einen Nachweis der Markeninhaberschaft vorzulegen. Die Adresse kontakt@… im Impressum angegeben gewesen. Jedenfalls, nachdem die Beklagte zwei Wochen untätig geblieben sei, sei sie zur Störerin geworden.
Da die Beklagte aber schon seit der E-Mail vom 12.04.2010 Kenntnis von der Rechtsverletzung gehabt habe, hafte sie hier sogar wegen Vorsatzes, da sie nach der Kenntniserlangung in keiner Weise tätig wurde. Darüber hinaus sei für eine Haftung als Störer ein vorsätzliches Handeln sogar entbehrlich.
Ein zugrunde gelegter Streitwert von 75.000,- sei vorliegend angemessen. Darüber hinaus sei eine Erhöhung der Gebühr von 1,3 auf 1,5 auf Grund des großen Umfangs des Vorgehens sowie der sich ständig wandelnden Rechtsmaterie gerechtfertigt und außerdem einer gerichtlichen Überprüfung entzogen, da sich der Rechtsanwalt damit im Rahmen seines Ausübungsspielraums halte. Die Kosten seien auch tatsächlich entstanden und die Klägerin habe diese auch gegenüber den Prozessbevollmächtigten beglichen.
Die Klägerin beantragt:
wie tenoriert.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei weder zulässig – das LG Stuttgart sei örtlich unzuständig – noch begründet. Durch die E-Mail vom 12.04.2010 sei die für die Störereigenschaft erforderliche Kenntnis noch nicht begründet worden. Die Fallkonstellation sei vergleichbar mit der eines Anrufes, bei dem der Anrufende eine Markenrechtsverletzung geltend mache, die Telefonistin insofern aber erklärt, hierfür nicht zuständig zu sein und bittet, sich an die Rechtsabteilung zu wenden, der Anrufende dem aber nicht nachkomme. Es sei verfehlt in diesem Fall eine ausreichende Kenntnis anzunehmen. Die Klägerin habe, sich weder an die Formalien der Anzeige der Markenverletzung, wie sie im Internet wiedergegeben sei, gehalten, noch habe die Klägerin, wozu sie verpflichtet gewesen wäre, ihre Rechteinhaberschaft ausreichend dargelegt. Die Klägerin habe den Kommunikationsprozess auch schuldhaft abgebrochen.
Darüber hinaus sei das Verhalten der Klägerin auch rechtsmissbräuchlich gewesen. Obwohl die Beklagte auf die erste E-Mail geantwortet und der Klägerin die Kontaktdaten der Rechtsabteilung, versehen mit der Bitte um Übersendung des Nachweises der Markeninhaberschaft, zugesendet hatte, habe die Klägerin einen solchen Nachweis nicht erbracht, sondern vielmehr ohne weitere Mitwirkung eine Abmahnung der Beklagten betrieben. Insgesamt seien daher die hier geltend gemachten Kosten keine erforderlichen und notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung, da eine Markenrechtsverletzung mit der Übersendung des Nachweises hätte abgestellt werden können.
Die Beklagte bestreitet darüber hinaus mit Nichtwissen, dass die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren tatsächlich bezahlt wurden.
Hilfsweise macht die Beklagte darüber hinaus geltend, dass der Gebührenstreitwert in Höhe von 75.000,-, der der Berechnung der Abmahnkosten zu Grunde gelegt wurde, zu hoch sei. Ferner sei auch eine 1,5 Gebühr vorliegend nicht gerechtfertigt.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
Gründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung der Kammer war die Beklagte verpflichtet, auf die E-Mail vom 12.04.2010 zu reagieren und die Markenverletzung zeitnah abzustellen. Im Zeitpunkt der Abmahnung bestand gegenüber der Beklagten ein Unterlassungsanspruch (Artikel 6, 9 GMV, 4, 14 Abs. 1, Abs. 5, 15 Abs. 1 und 5 MarkenG), so dass die Beklagte jedenfalls aus Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet ist, die Abmahnkosten zu erstatten, §§ 683, 670 BGB. Nach Auffassung der Kammer war die Abmahnung erforderlich, sie war nicht treuwidrig, auch ein Mitverschulden der Klägerin ist insofern nicht zugrundezulegen.
1. Das Landgericht Stuttgart ist sachlich und örtlich gemäß §§ 14 , 125e, 140 MarkenG, § 13 Abs. 1 Nr. 2 ZuVOJu BW, § 32 ZPO zuständig. Die gegen den Kennzeichenverletzer gerichtete Klage auf Erstattung der Abmahnkosten ist stets Kennzeichenstreitsache im Sinne des § 140 MarkenG und daher ausschließlich den Landgerichten zugewiesen. Ferner ist die markenrechtliche Verletzungshandlung bestimmungsgemäß deutschlandweit über das Internet und damit auch in Stuttgart als Erfolgsort erfolgt, weshalb örtlich auch das Landgericht Stuttgart zuständig ist. Die Klägerin behauptet ein vorsätzliches somit deliktisches Handeln der Beklagten. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BGH sind vom gemäß § 32 ZPO zuständigen Gericht, sämtliche Anspruchsgrundlagen zu prüfen, somit auch Geschäftsführung ohne Auftrag. Im Übrige hat die Beklagte den Einwand der fehlenden Zuständigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht erhoben.
2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die vom Kunden der Beklagten verwendete Domain www.kwwick.de eine Verletzung der Kennzeichenrechte der Klägerin darstellt, §§ 4, 14, 5, 15 MarkenG, Artikel 6, 9 GMV. Die Klägerin ist Inhaberin bzw. exklusive Lizenznehmerin der hier verletzten Marken. Sie wurde durch das Verhalten der Domaininhaberin auch in ihren Rechten aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bzw. Art. 9 Abs. 1 lit.b GMV verletzt.
3. Der BGH hat bereits entschieden, dass die Beklagte nicht ohne Weiteres als Teilnehmer oder Störerin allein haftet deshalb, weil Kunden der Beklagten kennzeichenverletzende Domains verwenden. Es bestehe keine allgemeine Prüfpflicht der Beklagten. Bei dem Geschäftsmodell der Beklagten handele es sich um ein gebilligtes Geschäftsmodell, das Domain-Programm der Beklagten werde in erheblichen Umfang legal und sinnvoll genutzt. Eine allgemeine Prüfungspflicht bestehe daher nicht (BGH, Sedo, 1 ZR 155/09).
Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquatkausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Sedo, 1 ZR 155/09).
Der Unterlassungsanspruch kann gegen den Betriebsinhaber geltend gemacht werden, wenn die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen wird. Beauftragter ist, wer in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg seiner Geschäftstätigkeit dem Betriebsinhaber zugutekommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des Beauftragen hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern darauf, welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Der Unternehmensinhaber haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße (BGH, Sedo, 1 ZR 155/09 m.w.N.).
Wie dargelegt, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Sedo, I ZR 155/09). Da die Beklagten eine allgemeine Prüfpflicht nicht trifft, kommt es darauf an, wann die Beklagte von einer etwaigen Markenverletzung eines ihrer Kunden Kenntnis erlangte, die eine Prüfungs- und ggf. Reaktionspflicht auslöste.
Die insofern erforderliche Kenntnis wurde durch Übersendung der E-Mail vom 12.04.2010 geschaffen. Nach Auffassung der Kammer waren die Empfänger der Mail Angestellte bzw. Beauftragte im Sinne dieser Rechtsprechung. Die Mail-Adresse kontakt@… im Impressum angegeben. Die Beklagte war insofern verpflichtet, ihren Betrieb dergestalt zu strukturieren, dass unter dieser Mail-Adresse eingehende Mails ggf. selbständig an die Rechtsabteilung weitergeleitet werden. Aus dem Inhalt der Mail ergibt sich, dass eine Markenverletzung beanstandet wird, so dass ein Weiterleiten an die Rechtsabteilung der Beklagten selbst ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Durch die E-Mail erlangte sie eine die Störereigenschaft auslösende Kenntnis der Rechtsverletzung und hätte diese abstellen müssen. Wird ein solcher Hinweis an die Beklagte herangetragen, liegt es in ihrer Verantwortung als Dienstleister der Seite, auf der die Markenrechtsverletzung begangen wird, zu überprüfen und ggf. die Rechteverletzung schnellstmöglich zu unterbinden. Die Angabe der Adresse legal@… auf der Seite für die Meldung der Rechtsverletzung begründet keine Pflicht, die Meldung an diese Adresse zu senden. Eine Zuordnung der eingegangenen E-Mail zur Rechtsabteilung wäre hier problemlos möglich gewesen. Es wurde von dem Angestellten im Kundensupport nicht die Beantwortung einer komplexen juristischen Frage verlangt, sondern lediglich, dass er beim Lesen des Hinweises auf eine Verletzung von Markenrechte eine solche Mail an die interne Rechtsabteilung weiterleitet. Dies erfolgte aber nicht und kann hier auch nicht damit entschuldigt werden, dass die E-Mail schwer zuzuordnen gewesen wäre. Auch die Hinweise auf mögliche Fälschungen oder fehlende Authentizität bzw. Legitimation der Verfasserin der E-Mail haben hier keinen Erfolg, da es hierfür keinerlei Anzeichen gab.
4. Nach Auffassung der Kammer war der Beklagten hier eine Prüfung ob eine Markenverletzung vorliegt, auch zuzumuten. Der Hinweis der Klägerin in der E-Mail war ausreichend. Die Vorlage der Markenurkunde konnte seitens der Beklagten im vorliegenden Fall nicht gefordert werden. Über eine entsprechende Recherche im Internet ist problemlos feststellbar, wer Markeninhaber ist. Da die Klägerin Inhaberin der Gemeinschaftsmarke war, spielt es auch keine Rolle, dass bezüglich der deutschen Marke sie lediglich Lizenznehmerin ist, was über eine Internetrecherche nicht feststellbar gewesen wäre. Der Verletzte einer Marke muss diese Arbeit der Beklagten nicht abnehmen. Es handelt sich um ihr selbst obliegende zumutbare Prüfungspflichten.
Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin eine offensichtlich ihre Namens- und Markenrechte beeinträchtigende Tippfehlerdomain unter Hinweis auf die Einblendung von Werbung eines direkten Konkurrenten beanstandet.
Vor diesem Hintergrund oblag es der Beklagten, über eine Markenrecherche die Waren- und Dienstleistungsklassen erfahren und vergleichen, ob die Domain die geschützten Geschäftsfelder betrifft.
Da die Beklagte verpflichtet war, nach Eingang der Mail vom 12.04.2010 die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, nämlich zu überprüfen, ob eine Rechtsverletzung vorliegt und ggf. für eine Löschung der Domain Sorge zu tragen, wurde sie durch Unterlassung dieser Handlungen zur Störerin. Jedenfalls die Zeitspanne von über zwei Wochen wäre ausreichend gewesen, die Störung abzustellen.
Aus der Entscheidung des BGH (Vorschaubilder, 1 ZR 69/08) ergibt sich insofern nichts Abweichendes. Soweit darin ausgeführt ist, dass ein die Haftung auslösender Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung, den Betreiber einer Suchmaschine eine ausreichende Klarheit über die urheberrechtliche Berechtigung des Mitteilenden verschaffen muss, ist dies den Besonderheiten des Urhebergesetzes geschuldet. Anders als hier gibt es für Urheberrechte kein Register, so dass bei Urheberrechten auch besondere Anforderungen zu stellen sind. Wie ausgeführt, reicht hier ggf. eine Markenrecherche aus.
Die Beklagte hat daher vorliegend die Kosten der Abmahnung gemäß §§ 683 S.1, 670 BGB über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten. Die Abmahnung stellte für die Klägerin ein objektiv fremdes Geschäft dar, das sie im Interesse der Beklagten führten und hierfür die Aufwendungen ersetzt verlangen. Insbesondere war es im Interesse des Geschäftsherrn, hier der Beklagten, für eine Abstellung der Rechtsverletzung zu sorgen.
5. Die Kammer ist auch der Auffassung, dass die Abmahnung nicht als treuewidrig, § 242 BGB, angesehen werden kann und auch der Klägerin kein Mitverschulden, § 254 BGB anzulasten ist. Insofern kann zunächst auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
Nach Auffassung der Kammer war die Klägerin auch nicht verpflichtet, mitzuteilen, dass sie nicht bereit ist, eine entsprechende Markenurkunden vorzulegen und nicht gewillt ist, weiteren Nachweis zu erbringen. Mehr als die E-Mail vom 12.04.2010 war seitens der Klägerin nicht erforderlich. Es oblag sodann der Beklagten entsprechend zu handeln, ohne Maßnahmen für eine Verzögerung zu ergreifen. Da die Beklagte dies unterließ, ging sie das Risiko ein, abgemahnt zu werden. Sie konnte von der Klägerin, trotz ihrer Anfrage, nicht erwarten, dass diese die entsprechende Markenurkunde vorlegt oder überhaupt noch vor der Abmahnung auf die E-Mail der Beklagten reagiert.
6. Der seitens der Klägerln mit 75.000,00 zugrundegelegte Streitwert für die Abmahnung ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist gerichtsbekannt eine sehr erfolgreiche Internetplattform. Ein Streitwert von 75.000,00 liegt daher eher im unteren Bereich.
7. Bezüglich der 1,5-Gebühr hat der BGH (IX ZR 110/10) jüngst wie folgt ausgeführt:
„Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht es allgemeiner Meinung, dass der Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 von Hundert (so genannte Toleranzgrenze) zusteht. Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen. Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 haben die Rechtsanwälte des Klägers die Toleranzgrenze eingehalten.“
Die Kammer sieht keine Gründe von dieser Auffassung des BGH abzuweichen, auch wenn die Gefahr besteht, dass durch diese Rechtsprechung zukünftig eine 1,5-Gebühr faktisch zur Regelgebühr wird.
8. Da hier die Beklagte die Zahlung der Klageforderung jedenfalls ernsthaft und endgültig verweigert hat, wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um (OLG Köln, 15 U 90/09, m. w. N.). Es kann daher dahin stehen, ob die Klägerin tatsächlich die Gebühren ausgeglichen hat.
9. In der Abmahnung wurde eine Frist zur Zahlung der Abmahnkosten bis 07.05.2010 gesetzt, so dass die Beklagte sodann in Verzug geraten ist, §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO. Der Gebührenstreitwert war gemäß § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen.