OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.04.2008, Az. I-20 U 93/07 – Deutsche Marke vs. „.com“-Domain

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: I-20 U 93/07
Entscheidungsdatum: 22.04.2008
Normen: UWG § 3, § 4 Nr. 9 und Nr. 10, § 8; ZPO § 91a, MarkenG § 5 Abs. 2, § 15 Abs. 2, Abs. 4
Leitsätze der Redaktion:
Ein ausländischer Vertriebspartner eines deutschen Unternehmens, der auf einen lokal umgrenzten Zielmarkt beschränkt ist (hier die Golfregion), ist nicht berechtigt, eine „.com“-Domain zu registrieren und zu nutzen, die mit dem heimischen Unternehmenskennzeichen identisch ist.

Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Vertriebspartner seitens des Markeninhabers der Vertrieb unter der Markenbezeichnung nur in einem regional begrenzten Gebiet vertraglich gestattet ist, die Nutzung einer – nicht (mehr) national gebundenen – „.com“-Domain im internationalen Geschäftsverkehr aber den Eindruck erweckt, dass der Vertrieb weltweit – und somit auch in Deutschland – erfolgt.

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS

Tenor:

Die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Der Streitwert für das Verfahren wird für die Zeit bis zum 10. März 2008 auf 100.000,00 EUR und für die Zeit danach auf bis zu 19.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

A)

Die Antragstellerin, ein Vertriebsunternehmen für kosmetische Produkte, firmiert ständig unter der Bezeichnung P. C. Sie ist zudem Inhaberin der deutschen Wortmarke „P.“, die – richtig (vgl. Bl. 12 GA) – unter der Nummer 1179535 in der Klasse 03 für „Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haartönungs- und Haarpflegemittel, kosmetische Seifen, Deodorants für den persönlichen Gebrauch“ eingetragen ist. Zwischen den Parteien bestand eine Vertriebsvereinbarung („Sole Distribution Agreement“, Anlage AS 4 Bl. 13 ff.) über Produkte der Marke „B.“ in den Golfstaaten. Am 27.05.2006 ließ die Antragsgegnerin die Domains www.pc.com und www.p-c.com auf sich registrieren. Diese Domains wurden weitergeleitet auf die von der Antragsgegnerin betriebene Internetpräsenz.

Die Antragstellerin hat behauptet, die Umleitung der Domains sei auf die als Anlage AS7 (Bl. 27 ff. GA) vorgelegte deutschsprachige Internetseite erfolgt. Sie hat ihre Ansprüche ursprünglich auf die Verletzung ihrer Marken- und Firmenrechte und der Vertiebsvereinbarung gestützt, später dann noch auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (Bl. 92 GA) und eine Verletzung der Namensrechte (Bl. 93 GA) sowie der §§ 4 Nr. 9 und Nr. 10 UWG (Bl. 95 GA) gestützt.

Die Antragsgegnerin hat behauptet, die Umleitung sei auf die als Anlage AG3 (Bl. 66 GA) vorgelegte (englischsprachige) Homepage erfolgt, wobei allerdings unstreitig die „deutsche“ Homepage bereits in der Kopfzeile verlinkt war. Diese richte sich ausschließlich an Kunden in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Für jegliche denkbaren Verstöße fehle es am Inlandbezug. Ferner habe die Antragstellerin ihr den Vertrieb der Produkte unter der Marke „P.“ gestattet. Der Förderung dieses Vertriebes habe die Domainregistrierung gedient.

Das Landgericht hat antragsgemäß mit Beschluss vom 28.11.2006 der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, „unter der Domain www.pc.com oder der Domain www.p-c.com für sich zu werben. Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Kammer die einstweilige Verfügung bestätigt und zur Begründung ausgeführt, die Antragstellerin habe einen Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG. Durch die Anmeldung der Domain werde der Wettbewerb der Antragstellerin erheblich behindert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung der Antragsgegnerin, mit der diese angekündigt hat, zu beantragen,

unter Abänderung des Urteils der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 25.04.2007 die einstweilige Verfügung vom 28. November 2006 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin macht geltend, das UWG sei neben den geltend gemachten marken- und kennzeichenrechtlichen Ansprüchen nicht anwendbar. Diese schieden jedoch wegen fehlenden Inlandsbezuges aus. Es fehle auch an einem inländischen Wettbewerbsverhältnis, denn sie vertreibe nur Kosmetika in den Golfstaaten, und zwar diejenigen der Antragstellerin. Ferner habe sie vorgetragen, dass sie mit dem Namen „P. C.“ in dem vertraglichen Territorium habe werben dürfen, was das Landgericht fehlerhaft übergangen habe. Schließlich fehlte jeglicher Anhaltspunkt für eine gezielte Behinderung.

Die Antragstellerin hat angekündigt, zu beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Parteien stünden schon deshalb in einem Wettbewerbsverhältnis, weil beide Repräsentanzen für ausländische Kunden in Deutschland übernähmen. Ein solches sei schon deshalb gegeben, weil es sich um zwei inländische Unternehmen handele. Im Übrigen wiederholt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Nachdem die Antragsgegnerin unter dem 5. März 2008 eine Unterlassungserklärung abgegeben hat (Bl. 244 GA) haben die Parteien das Verfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend für erledigt erklärt.

B)

Nachdem die Parteien das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat gemäß § 91a ZPO nur noch darüber zu entscheiden, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Dabei entspricht es in der Regel dem billigen Ermessen, die Kosten derjenigen Partei aufzuerlegen, die die Kosten ohne das erledigende Ereignis zu tragen gehabt hätte.

Nach diesen Grundsätzen entspricht es hier der Billigkeit, die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen, denn ohne die von ihr abgegebene Unterlassungserklärung wäre sie voraussichtlich unterlegen, so dass ihr nach § 91 Abs. 1 ZPO in diesem Falle die Kosten aufzuerlegen gewesen wären.

Die Antragstellerin hatte jedenfalls nach § 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin nicht unter der mit ihrem Unternehmenskennzeichen identischen Domain für ihr Unternehmen wirbt.

Dieser scheidet entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht schon deshalb aus, weil es am erforderlichen Inlandsbezug fehlt. Der Antragsgegnerin ist zunächst darin zuzustimmen, dass im Immaterialgüterrecht das Territorialitätsprinzip gilt und daher der Schutz inländischer Kennzeichen der Antragstellerin nach deutschem Recht zu behandeln ist. Aufgrund des Territorialtätsprinzips ist der Schutzbereich einer inländischen Marke oder eines inländischen Unternehmenskennzeichens auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG setzt deshalb eine das Kennzeichenrecht verletzende Benutzungshandlung im Inland voraus. Diese ist regelmäßig gegeben, wenn im Inland unter dem Zeichen Waren oder Dienstleistungen angeboten werden (BGH GRUR 2005, 431, 432 „HOTEL MARITIME“).

Eine inländische Kennzeichenbenutzung kann dabei nicht schon allein deshalb bejaht werden, weil Internetseiten von jedem Ort der Welt abrufbar sind. Wäre dies der Fall, würde dies zu einer uferlosen Ausdehnung des Schutzes nationaler Kennzeichenrechte und zu einer unangemessenen Beschränkung der Selbstdarstellung ausländischer Unternehmen führen. Daher ist es erforderlich, dass das kennzeichenverletzende Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug („commercial effect“) aufweist (BGH a.a.O.).

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin besteht ein hinreichender Inlandsbezug im Falle der beanstandeten Werbung auch dann, wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass bei Aufruf der streitigen Domains nicht die Anlage AS 7, sondern die Anlage AG 3 angezeigt wurde. Zwar befindet sich auf der Seite die Überschrift „Welcome to our Dubai internet page“ und die Seite ist in englischer Sprache verfasst, sie richtet sich aber auch an potentielle Kunden in Deutschland, die im Übrigen über den Link „Deutsche Version“ zu der Anlage AS 7 geleitet werden. Insbesondere heißt es aber auf der von der Antragsgegnerin vorgelegten Seite ausdrücklich:

„We provide bridging services from the UAE to Germany and vice versa. Whether you would like to engage in business in Dubai or we should look for business interests in Germany or Spain …“ übersetzt: „Wir bieten Brückendienste von den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Deutschland und umgekehrt. Ob sie geschäftlich in Dubai tätig werden wollen oder wir uns um ihre Geschäftsinteressen in Deutschland oder Spanien kümmern sollen…“

Damit richtet sich die Werbung aktiv an Kunden aus Deutschland, die Kontakte in den Vereinigten Arabischen Emiraten suchen. Die Antragsgegnerin wirbt namentlich mit ihrem – einzigen – Geschäftssitz in H.

Es liegt auch eine erhebliche Verletzung des klägerischen Unternehmenskennzeichens vor. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Antragstellerin im geschäftlichen Verkehr allgemein unter der Kurzbezeichnung P.-C. auftritt, diese Bezeichnung demnach ihr Unternehmenskennzeichen ist, § 5 Abs. 2 MarkenG. Insbesondere ist die Bezeichung hinreichend unterscheidungskräftig. Neben dem beschreibenden Teil „C.“ enthält das Unternehmenskennzeichen seine Prägung durch den Bestandteil „P.“, der der Bezeichnung die erforderliche mindestens normale Kennzeichnungskraft verleiht.

Die Bezeichnung wurde von der Antragsgegnerin auch im geschäftlichen Verkehr verwendet, indem sie die angegriffenen Domains auf ihre Werbeseite umgeleitet hat. Da nur diese Umleitung, also das Werben für das Unternehmen der Antragsgegnerin und dem Kennzeichen der Antragstellerin angegriffen wird und auch nur Unterlassung dieser konkreten Verwendung begehrt worden ist, kann dahin stehen, ob schon die Registrierung der Domain ein Handeln im geschäftlichen Verkehr darstellt, denn die aktive Werbung von Kunden für das eigene Unternehmen stellt in jedem Falle eine derartige Handlung dar.

Die Verwendung erfolgt auch in einer Weise, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem geschützten Zeichen hervorzurufen. Der Begriff „P. C.“ weist eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Er ist in den beanstandeten Domain-Bezeichnungen identisch übernommen. Insoweit ist wesentlich, dass der Verkehr die weiteren Bestandteile einer Domain nicht als herkunftskennzeichnend erkennt. Dies gilt insbesondere für die Top-Level-Domain (hier: .com), aber auch für die Kennzeichnung als World Wide Web – Bestandteil, d.h. als im Wesentlichen über das Hypertext Transfer Protocol kommunizierende Seite, durch die Bezeichnung www. Unterscheidungskraft besitzt damit allein die Second-Level-Domain, als deren Bestandteil die Antragsgegnerin das Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin identisch übernommen hat, denn die unterschiedlichen Schreibweisen (zusammen oder mit Bindestrich, mit und ohne abschließendes „s“) fallen nicht erkennbar ins Gewicht.

Darüber hinaus besteht auch die für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr notwendige Branchennähe, denn sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegenerin sind als Handelsvertreter tätig und bieten Repräsentanzen für andere Unternehmen jedenfalls auch auf dem Gebiet der Kosmetik an. Damit besteht aber sogar Branchenidentität.

Für diese Tätigkeit – und nicht etwa für den Vertrieb der nach der Vertriebsvereinbarung betroffenen Produkte – wird auch unter der streitigen deutschen wie englischen Seite geworben.

Hierzu war die Antragsgegnerin auch dann nicht berechtigt, wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass diese mit der Antragstellerin vereinbart hatte, die zu vertreibenden Produkte im Zielmarkt unter Verwendung der Bezeichnung „P.“ zu vertreiben. Zum einen wirbt die Antragsgegnerin auf der Seite nicht für die Produkte der Antragstellerin, sondern für ihre Tätigkeit als Handelsvertretung. Zum anderen geht aber die Eintragung einer „.com“-Domain weit über den Vertrieb in den Golfstaaten hinaus. Die – nicht (mehr) national gebundene – „.com“-Domain wird im internationalen Geschäftsverkehr genutzt. Wäre es der Antragsgegnerin um den Aufbau einer Internetpräsenz für die Golfstaaten gegangen, so hätte es auch nahe gelegen, die TLD „.ae“ der Vereinigten Arabischen Emirate zu wählen. Die konkret angegriffene Werbung der Antragsgegnerin erweckt demgenüber den Eindruck, sie sei diejenige, die ihre Geschäfte (auch) unter der Bezeichnung „P.-C.“ führe, und zwar eben international und auch in Deutschland. Diese Verwendung geht weit über das hinaus, was der Antragsgegnerin nach ihrem eigenen Vortrag gestattet worden ist, nämlich bestimmte Waren in einem regional sehr begrenzten Gebiet unter der Bezeichnung „P.“ zu vertreiben.

Die Antragstellerin hatte danach einen Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 4 MarkenG, sodass sie ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre.

Die anfangs unstreitig bestehende Eilbedürftigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin durch insoweit mit der Berufung nicht angegriffenes Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25.07.2007 (34 O 219/06 LG Düsseldorf = I-20 U 140/07 OLG Düsseldorf, dort Bl. 188 ff. GA) verurteilt worden ist, die streitigen Internetdomains zu löschen. Hat nämlich der Antragsteller bereits eine rechtkräftige Entscheidung in der Hauptsache erwirkt, ist für ein Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz kein Raum mehr; dem Verfügungsbegehren fehlt es dann regelmäßig am Verfügungsgrund (Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rn. 56).

Dies ist hier jedoch zu verneinen, denn der im Verfahren 34 O 219/06 titulierte Anspruch auf Löschung der Domain und der durch die vorliegende einstweilige Verfügung gesicherte Anspruch unterscheiden sich. Hier geht es darum, der Antragsgegnerin zu untersagen, unter der Domain (in Deutschland) für ihr Unternehmen zu werben. Das kann sie aber auch dann, wenn sie nicht Inhaberin der Domain ist, zum Beispiel indem der berechtigte Domaininhaber ihr dies gestattet. Der Verfügungsgrund ist damit nicht schon durch das angeführte Urteil entfallen.

Die Wertfestsetzung beruht auf der von den Parteien nur unsubstantiiert angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung, die wiederum auf der Wertangabe der Antragstellerin beruht; für die Zeit nach der Erledigungserklärung waren die bis dahin entstandenen Kosten zu schätzen.