Gericht: | Oberlandesgericht Frankfurt am Main |
Aktenzeichen: | 11 U 24/06 (Kart) |
Entscheidungsdatum: | 13.02.2007 |
Normen: | GWB §§ 20, 33 |
Vorinstanz(en): | LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.05.2006, Az. 2/6 O 547/05 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
(…)
hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2006
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.05.2006 – Az.: 2/6 O 547/05 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Registrierung und Freischaltung einer allein aus Ziffern bestehenden Second-Level-Domain (nachfolgend SLD).
Die Klägerin bietet unter der Rufnummer AAHHO deutschlandweit telefonische Auskunftsdienstleistungen sowie eine Vielzahl von weiteren Diensten wie z. B. Staunachrichten und Routenplaner an. Mit einem Marktanteil von 31% ist sie die größte Wettbewerberin der X AG, die ihre Leistungen unter der Telefonnummer AAHHC anbietet. Die Klägerin weitete ihr telefonisches Service-Portal im Jahre 2000 auf das Internet aus. Sie bietet dort Leistungen (u. a. ein Branchenverzeichnis) unter www.AAHHO.com und www.AAHHO.info an. Ferner kann sie unter weiteren Internetadressen, z. B. www.Y.de und www.AAHHO-Z.de erreicht werden.
Die Beklagte ist die bundesweit zentrale Registrierungs- und Vergabestelle für SLDs unter der Top-Level-Domain (nachfolgend TLD) „.de“. Auf ihrer Website teilt die Beklagte mit, sie erfülle ohne Gewinnerzielungsabsicht zum Nutzen und Wohle aller am Internet Interessierten und in Übereinstimmung mit den international anerkannten Standards für den Betrieb einer ccTLD-Registrierungsstelle ihre Aufgabe in Deutschland (Bl. 97 d. A.).
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 08.07.2005 die Registrierung der Domain „AAHHH.de“ als SLD. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf ihre Registrierungsrichtlinien ab. In den „DENIC-Domain-Richtlinien“ unter IV. heißt es:
„Eine Domain kann (ungeachtet der TLD.de) nur bestehen aus Ziffern (0 – 9), Bindestrichen, den Buchstaben A – Z und den weiteren Buchstaben, die in der Anlage aufgeführt sind. Sie muss wenigstens einen Buchstaben enthalten … “ (Bl. 105 d. A.).
In den FAQs für Domain-Anmelder begründet die Beklagte dies damit, dass die Rechner im Internet sich gegenseitig nicht anhand der Domain, sondern mittels sogenannter IP-Adressen, also reiner Zahlen, erkennen. Wenn man in seinen Browser eine Domain eingebe, werde diese durch einen sogenannten Name-Server in die zugehörige IP-Adresse übersetzt. Eine allein aus Ziffern bestehende Domain könne jedoch mit einer IP-Nummer verwechselt werden, was zu technischen Schwierigkeiten führen würde. Dies könne nicht nur die Erreichbarkeit der Website des Nutzers gefährden, sondern darüber hinaus auch andere Internet-Nutzer beeinträchtigen (Bl. 119 d. A.).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei als markbeherrschendes oder zumindest als marktstarkes Unternehmen im Sinne des § 20 GWB anzusehen. Die Beklagte verstoße dadurch, dass sie ihr (Klägerin) die gewünschte Domain AAHHO.de nicht zuteile, gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB und behindere sie unbillig. Zugleich behandle die Beklagte sie ohne sachlichen Grund ungleich. Die Klägerin hat behauptet, die Registrierung einer reinen Ziffern-Domain könne keine Störung verursachen, die nicht genau so durch eine kombinierte Ziffern- und Buchstaben-Domain verursacht werden könne. Eine Verwechselung der IP-Nummern sei aufgrund der Verbesserung der technischen Gegebenheiten nicht mehr denkbar. Die Klägerin hat auf den Standard des RFC (Request for Comments) 1123 aus dem Jahre 1989 verwiesen, wonach in Abweichung des RFC 952 aus dem Jahre 1985 die Beschränkung für das erste Zeichen in einer Domain dahin erleichtert worden sei, dass entweder ein Buchstabe oder eine Ziffer erlaubt sei (Bl. 132 d. A.). Weiterhin hat die Klägerin darauf verwiesen, dass die generischen TLDs .com, .net, .org, .biz, .info und .eu die Verwendung reiner Zifferndomains zulassen und von den Länder-TLDs (ccTLDs) inzwischen beispielsweise Belgien, Luxemburg, Frankreich, Italien, Finnland, Portugal und Spanien ebenfalls reine Ziffern-TLDs registrierten. In Westeuropa würden – außer durch die Beklagte – lediglich in Österreich, Schweden, Norwegen und den Niederlanden derzeit keine solche Domains registriert. Im Übrigen bezieht sich die Klägerin dafür, dass die Verwechselung einer reinen Zifferndomain mit einer IP-Adresse tatsächlich nicht möglich sei, auf ein von ihr eingeholtes Gutachten von Herrn Prof. Dr. SV1 vom 20.09.2005 (Bl. 120 – 131 d. A.) nebst ergänzender Stellungnahme vom 06.03.2006 (Bl. 274 – 287 d. A.).
Weiter hat die Klägerin gemeint, dass die Beklagte sich selbst verpflichtet habe, die RFCs als internationale Standards einzuhalten. Die Beklagte diskriminiere sie (die Klägerin) gegenüber anderen Telefongesellschaften, für die die von diesen gewünschten SLDs registriert würden. Aus der Verweigerung der Zuweisung der Domain AAHHO.de entstünden ihr erhebliche Wettbewerbsnachteile, da sie – unstreitig – aufgrund ihrer Werbestrategie diese Ziffernkombination und nicht ihre Firmenbezeichnung werblich in den Mittelpunkt gestellt habe und daher ausschließlich mit der Ziffernkombination identifiziert werde. Da ihre Leistungen unter der Telefonnummer AAHHO ausschließlich auf den deutschen Markt bezogen seien, seien generische TLDs, wie z. B. .com oder .info, für sie keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, für sie (Klägerin) die Internetdomain www.AAHHO.de zu registrieren und frei zu schalten;
sowie hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, für sie (Klägerin) die Internetdomain AAHHO.de zu registrieren und frei zu schalten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, dass sie im Bereich der Vergabe von SLDs nicht marktbeherrschend sei. Bei der sachlichen Marktabgrenzung seien auch die generischen Domains mit einzubeziehen. Insbesondere habe die TLD.com eine überragende Bedeutung für kommerzielle Anwender wie die Klägerin. Die Beklagte verweist dabei darauf, dass unter der TLD .com 45 Millionen Adressen registriert seien, denen nur 9,37 Millionen .de-Adressen gegenüber stünden (vgl. Domainzahlen Bl. 213 d. A.). Insgesamt bestünden neben der TLD .de weitere 240 ccTLDs sowie sechs globale generische TLDs für verschiedene Sektoren. Von den zehn beliebtesten TLDs hätten sieben höhere Zuwachsraten als die von ihr verwaltete TLD. Selbst wenn man bei der räumlichen Marktabgrenzung als relevanten Markt das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugrunde legen würde, stünden dort die generischen TLDs, vor allem .com, .net, .org, .biz und .info, mit der geografischen TLD .de funktionell austauschbar nebeneinander. Aus diesen Gründen handele es sich bei ihr (Beklagter) auch nicht um ein marktstarkes Unternehmen.
Die Beklagte hat weiterhin vorgetragen, dass die behauptete Behinderung bzw. Diskriminierung nicht in einem Geschäftsverkehr erfolge, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich sei. Im Streitfall sei auf die Telefongesellschaften abzustellen. Sie behandele diese jedoch nicht ungleich, weil sie es keinem dieser Unternehmen gestatte, unter der TLD .de eine ausschließlich aus Ziffern bestehende SLD zu registrieren. So sei auch für die X AG nicht deren Nummer AAHHC als SLD registriert worden. Die Klägerin habe dabei mit der Domain AAHHO-Z.de einen Weg gefunden, ihre Rufnummer in einer .de-Domain unterzubringen, die ihren Richtlinien genüge.
Die Beklagte hat ferner behauptet, dass bei der Registrierung einer lediglich aus einer Zahlenfolge bestehenden Domain die Gefahr bestehe, dass eine solche Domain mit der IP-Nummer eines am Internet teilnehmenden Rechners verwechselt werde und es in diesen Fällen zu fehlgeleiteten Informationen und anderen Störungen kommen könne. Daher sei durch den RFC 952 vom Oktober 1985 festgelegt worden, dass eine Domain nicht mit einer Ziffer beginnen dürfe. Nachdem der RFC 1123 diese Bestimmung gelockert habe, habe der RFC 1912 aus dem Jahr 1996 ausdrücklich festgehalten: „Labels may not be all numbers“, d. h., dass Domanis nicht allein aus Ziffern bestehen dürfen (Bl. 229 d. A.). Die Beklagte hat sich deshalb darauf berufen, dass rund ¾ der 240 ccTLDs reine Zifferndomains nicht erlauben.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei der nach § 20 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die von ihr vergebenen Domains auch funktionierten und nicht mit dem Risiko von Adressverwechselungen und den daraus resultierenden Fehlleitungen und Schäden behaftet seien. Für solche Schäden wäre sie ersatzpflichtig.
Die Klägerin hat erwidert, dass bei der Festlegung des sachlich relevanten Marktes die generischen TLDs wegen des fehlenden nationalen Bezuges nicht zu berücksichtigen seien. Die Beklagte sei mit einem Marktanteil von weit über 30% marktbeherrschend. Durch ihre Verweigerung beeinflusse die Beklagte sie (Klägerin) negativ in der Ausnutzung des Werbe- und Wiedererkennungswertes der Nummer AAHHO. Demgegenüber sei die Hauptkonkurrentin, die X AG, unter ihrem Namen bekannt.
Ferner hat die Klägerin erwidert, dass die von der Beklagten herangezogene RFC 1912 nicht bindend sei. Die Verwechselung einer SLD AAHHO mit einer IP-Adresse komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die SLD durch die Endung .de eindeutig nicht dem Format einer IP-Adresse entspreche. Auch könne der Zusatz .de bei einer Abfrage nicht „verloren gehen“. Tatsächlich habe es auch seit dem Jahr 2000 keine Berichte mehr über Probleme mit reinen Zifferndomains gegeben. Selbst wenn eine solche Verwechselung aufträte, wäre das Resultat doch nur, dass ein Internetnutzer einmal eine falsche Adresse erreiche. Dies würde im Ergebnis einem „Verwählen“ beim Telefonieren gleichen.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass in der Nichteintragung der Domain AAHHO.de keine unbillige Behinderung oder Ungleichbehandlung der Klägerin liege. Zwar behandle die Beklagte die Klägerin insofern gegenüber anderen Telefongesellschaften ungleich, als sie die von diesen gewünschten SLDs, die nicht lediglich aus Ziffern bestehen, registriert habe. Diese Ungleichbehandlung sei jedoch sachlich gerechtfertigt. Für die Beurteilung des sachlichen Grundes sei im Einzelfall eine Interessenabwägung erforderlich. Dabei sei einerseits das Interesse der Klägerin zu berücksichtigen, unter einer SLD registriert zu werden, die einer Ziffernfolge entspreche, die von ihr umfangreich für Dienstleistungen verwendet und beworben werde, eine besondere Bekanntheit in Deutschland genieße und zu ihren Gunsten als Marke geschützt sei. Die von ihr unter der Ziffernfolge angebotene deutschsprachige nationale Telefonauskunft habe auch einen besonderen Bezug zum deutschen Markt, so dass ein besonderes Interesse an der Registrierung unter der TLD .de bestehe. Andererseits müsse der Beklagten ein unternehmerischer Spielraum hinsichtlich der Anmeldekriterien verbleiben, der nicht vollständig von Interessen der Anmelder überlagert werden dürfe. Zugunsten der Beklagten sei in Rechnung zu stellen, dass sie die Klägerin nicht willkürlich, sondern nach den auf alle Anmelder gleichmäßig angewandten Registrierungsbedingungen behandle. Damit sei es auch anderen Telefonanbietern, die in besonderem Maße mit den ihnen zugewiesenen Telefonnummern werben, nicht möglich, eine ausschließlich aus diesen Ziffern bestehende SLD zu registrieren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, vor der Bewerbung ihrer Bezeichnung AAHHO in Deutschland zu klären, ob eine entsprechende Bezeichnung als SLD unter der TLD .de eingetragen werden könne. Außerdem versperre die Beklagte der Klägerin nicht gänzlich den Zugang zum Internet, wie die zahlreich vorhandenen Domains der Klägerin zeigten. Insbesondere stelle die Domain AAHHO.com trotz des Bezugs der von der Klägerin angebotenen Leistungen zum deutschen Markt für diese eine zwar nicht vollkommen gleichwertige, aber zumutbare Alternative dar. Daher könne nicht verlangt werden, dass die Beklagte eine zwingende technische Notwendigkeit jeder einzelnen Beschränkung der Registrierung nachweise. Vorliegend beruhten die Beschränkungen seitens der Beklagten auf vernünftigen, nachvollziehbaren Erwägungen. Für die Gefahr einer Verwechselung bei der Verwendung reiner Ziffern-Domains mit IP-Adressen könne sich die Beklagte auf die RCF 1912 berufen. Diese sei nicht deshalb unbeachtlich, weil es sich hierbei um eine Information für die Internetgemeinde handele, die keinerlei Internet-Standard spezifiziere. Die RCF 1912 beschreibe Fehler, die häufig im Zusammenhang mit dem Ablauf von DNS-Servern und den dort befindlichen Daten aufgetreten seien, und folgere daraus, dass reine Zifferndomains vermieden werden müssen bzw. sollen. Die Gefahr, dass bei der Verwendung reiner Ziffern-Domains Schwierigkeiten auftreten könnten, werde durch das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten nebst ergänzender Stellungnahme bestätigt. Denn auch der Gutachter stelle fest, dass noch einige DNS-Server mit einer Software liefen, die nicht den Spezifikationen der entsprechenden RFCs genüge. Damit seien derzeit tatsächlich Schwierigkeiten aufgrund der Verwendung von nur aus Ziffern bestehenden SLDs zu befürchten. Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme habe der Gutachter festgestellt, dass es seit dem Jahr 2000 mit Ausnahme des „internen Microsoftproblems mit dem Active Directory 2000“ keine Problemberichte gebe. Hieraus sei zu schließen, dass derzeit noch Probleme entstehen, auch wenn der Sachverständige diese als gering einstufe. Dem Anliegen der Beklagten, eine möglichst reibungslose Nutzung des Internets zu ermöglichen, müsse bei der Interessenabwägung besonders Rechnung getragen werden. Dass die von dem Gutachter angegebenen Probleme auf der Gefahr der Verwechselung reiner Zifferndomains mit der IP-Adresse beruhten, werde durch die ergänzende Stellungnahme des Gutachters bestätigt. Nach dem in der Gutachtenergänzung wiedergegebenen Zitat von Dr. SV2 sei das Hauptproblem, dass bei Zifferndomains ein Host eine Nummer eher als IP-Adresse als einen Namen interpretieren könne. Für das Bestehen solcher technischer Probleme spreche schließlich auch, dass in verschiedenen europäischen Ländern derzeit SLDs aus reinen Ziffern unzulässig seien. Wegen der Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 418 – 426 d. A. verwiesen.
Gegen das am 19.05.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.06.2006 Berufung eingelegt und diese mit am 19.07.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Mit der Berufung wiederholt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag und behauptet, dass die in der RFC 1912 geschilderten Probleme heute nicht mehr bestehen würden. Das Landgericht habe die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. SV1 sowie die darin zitierte Stellungnahme von Dr. SV2 fehlerhaft gewürdigt. Die Vorinstanz hätte bei der Frage der internationalen Behandlung reiner Zifferndomains den Sachverhalt dahingehend würdigen müssen, dass die Tendenz eindeutig zur Zulassung reiner Zifferndomains gehe. Dazu weist die Klägerin auf den unstreitigen Umstand hin, dass die nationalen Domainvergabestellen Österreichs, der Niederlande und Schwedens inzwischen reine Zifferndomains registrieren und in Norwegen derzeit eine Umfrage durchgeführt wird, ob Zifferndomanis zugelassen werden sollen. Ferner hätte das Landgericht verlangen müssen, dass die Beklagte nicht nur das tatsächliche Bestehen einer Gefahr von Verwechselungen mit IP-Adressen beweist, sondern auch, dass tatsächlich negative Folgen entstehen könnten. Der sachliche Grund zur unterschiedlichen Behandlung der Beklagten mit ihren Konkurrenten könne nicht bereits in einer abstrakten Verwechselungsgefahr gesehen werden. Bei der nur nach Vorliegen eines sachlichen Grundes vorzunehmenden Interessenabwägung habe das Landgericht ein reales Interesse der Beklagten an der Verweigerung reiner Zifferndomains nicht festgestellt. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht auch berücksichtigt, dass sie (Klägerin) sich im Jahr 2000 trotz Kenntnis der Registrierungsrichtlinien der Beklagten dazu entschlossen habe, die Rufnummer AAHHO in den Vordergrund ihrer Werbestrategie zu stellen. Selbst wenn im Jahr 2000 die behauptete Verwechselungsgefahr von Zifferndomains mit IP-Adressen noch bestanden habe, bestehe diese jedenfalls heute nicht mehr.
Die Klägerin beantragt,
das am 17.05.2006 verkündete Urteil des LG Frankfurt, Az.: 2/06 O 547/06, aufzuheben;
die Beklagte zu verurteilen, für sie (Klägerin) die Internetdomain „AAHHO.de“ zu registrieren und frei zu schalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Unter anderem führt sie an, dass nach wie vor drei Viertel aller Registrierungsstellen auch weiterhin Zifferndomains nicht zulassen, und verweist in einem nachgelassenen Schriftsatz darauf, dass auch unter den TLDs .uk (mit fünf Millionen Registrierungen) .br und .ar Zifferndomains nicht zugelassen sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin gemäß § 20 Abs. 1, 33 Abs. 1, Abs. 3 GWB verneint.
Die Beklagte ist allerdings Normadressatin des § 20 GWB. Sie hat eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, weil sie auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist. Nach dem für die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes geltenden Bedarfsmarktkonzept sind auf Angebotsmärkten sämtliche Erzeugnisse gleichwertig, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht. Aus Sicht desjenigen, der gewerblich Leistungen über das Internet bewerben oder anbieten will, sind die von der Beklagten verwaltete TLD .de und generische oder gar ausländische TLDs jedoch nicht in diesem Sinne austauschbar. Zwar können diese Anbieter in technisch gleichwertiger Weise grundsätzlich über jede registrierte Domain erreicht werden. Zutreffend hebt die Klägerin jedoch darauf ab, dass die von der Beklagten zugeteilten SDLs unter der TLD .de in der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße populär sind. Dies folgt schon aus der Vielzahl der registrierten Domains (9,37 Millionen). Inländische Interessenten an den von der Klägerin angebotenen Leistungen werden deshalb nach aller Lebenserfahrung eher nach einer .de-Domain als nach einer sonstigen SLD suchen. Soweit die Beklagte dies bestreitet, kann dem deshalb nicht gefolgt werden. Dies wird ferner dadurch bestätigt, dass nicht nur die Klägerin und ihre Hauptkonkurrentin, die X AG, sondern zahlreiche größere Unternehmen neben Domains mit anderen ccTLDs und generischen TLDs zusätzlich SLDs mit der TLD. de halten. Insofern hat sich an der Feststellung des Senats in der Sache ambiente.de (NJW 2001, 376) auch nicht dadurch etwas geändert, dass generische TLDs, wie .com, in den letzten Jahren stärkere Zuwächse verzeichnet haben als die von der Beklagten verwaltete TLD. Diese Stellung hat die Beklagte auch auf dem räumlich relevanten Markt. Dies ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Maßgeblich ist dafür, ob in dem betreffenden Gebiet die Marktgegenseite tatsächliche räumliche Ausweichmöglichkeiten hat (BGH GRUR 2004, 255, 256 – Strom und Telefon I; Ruppelt in: Langen/Bunte, Handbuch des deutschen und europäischen Kartellrechts, 2. Aufl., § 19 Rdn. 25). Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 GWB kann der räumlich relevante Markt weiter sein als der Geltungsbereich des GWB. Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall, da das Kriterium für die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes, nämlich die besondere Bedeutung der .de-Domain, im Wesentlichen auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist, für die sie gerade das Herkunftskennzeichen darstellt. Auf in anderen Staaten verfügbare ccTLDs können an .de-Domains Interessierte nicht in gleichwertiger Weise verwiesen werden.
Die Klägerin begehrt ferner eine Leistung in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Gleichartige Unternehmen sind hier – worüber die Parteien nicht streiten – Telefonunternehmen, d. h. Unternehmen, die u. a. Daten und Informationen auf dem Gebiet der Telekommunikation anbieten. Bei der beanspruchten Registrierung einer nur aus Ziffern bestehenden SLD handelt es sich auch um einen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr. Ob ein Geschäftsverkehr üblicherweise zugänglich ist, bestimmt sich nicht nach der Geschäftspraxis des in Anspruch genommenen Unternehmens, sondern danach, was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und angemessen empfunden herausgebildet hat (BGH GRUR 1993, 146, 147 – Stromeinspeisung; Schultz in: Langen/Bunte, a. a. O., § 20 Rn. 102). Dies kann auch dazu führen, dass das Unternehmen eine Leistung erbringen muss, die es bislang nicht in seinem Sortiment hat. Andernfalls würde man die Anwendbarkeit des § 20 GWB in die Disposition des Normadressaten stellen (vgl. auch Schultz, a. a. O., § 20 Rn. 103 f.). Um den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 GWB nicht unangemessen zu verkürzen, ist bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs ein eher weiter Maßstab anzulegen (BGH GRUR 1968, 159 – Rinderbesamung II; Schultz, a. a. O., Rdnr. 106). Daher kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Beklagte gemäß ihren Richtlinien SLDs, die lediglich aus Ziffern bestehen, nicht vergibt. Vielmehr ist der üblicherweise zugängliche Geschäftsverkehr in der Zuteilung von SLDs unter der TLD .de überhaupt zu sehen. Die Gründe, weshalb die Beklagte reine Zifferndomains nicht vergibt, sind dagegen bei der Frage des sachlichen Grundes bzw. der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Demgemäß ist es auch zutreffend, dass das Landgericht die Ungleichbehandlung mit der Begründung bejaht hat, andere Telefongesellschaften würden im Gegensatz zur Klägerin unter der von ihnen gewünschten SLD registriert.
Ob die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, ist aufgrund einer umfassenden und einzelfallbezogenen Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB vorzunehmen (Schultz, a. a. O., § 20, Rdnr. 121 ff. m. w. N.). Hierbei ist auf Seiten der Klägerin zu berücksichtigen, dass Internetnutzer, die an den Leistungen der Klägerin interessiert sind, das Angebot der Klägerin im Internet eher unter der in den Vordergrund gestellten Nummer AAHHO und der in Deutschland beliebten TLD .de suchen. Dabei muss aber ebenso Folgendes berücksichtigt werden: Der Nachteil, den die Klägerin erleidet, tritt nur in den Fällen auf, in denen Interessenten ihr Angebot ohne Benutzung einer Suchmaschine unmittelbar durch Eingabe der Adresse AAHHO. de anwählen. Inwieweit solche Interessenten für die von der Klägerin angebotenen Leistungen sich auf einen solchen Zugangsversuch beschränken, ist dagegen nicht bekannt. Geben Internetnutzer die ihnen bekannte Nummer AAHHO in eine Suchmaschine ein, werden sie über andere Adressen (z. B. AAHHO.com oder AAHHO-Z.de) auf die Website der Klägerin verwiesen. Die Weigerung der Beklagten hindert die Klägerin im Übrigen keineswegs daran, ihre Leistung anzubieten oder zu erbringen, da die Klägerin über zahlreiche Internetadressen erreicht werden kann. Das Gewicht des Nachteils, den die Klägerin dadurch erleidet, dass sie nicht unter der gewünschten SLD erreichbar ist, lässt sich somit nur schwer einschätzen.
Das Interesse der Beklagten, die beanspruchte reine Zifferndomain nicht vergeben zu müssen, besteht zum einen darin, dass sie in der Folge auch Ansprüchen nicht nur von Wettbewerbern der Klägerin, sondern von Unternehmen aller Branchen, aber auch von Privatpersonen ausgesetzt sein wird. Im Übrigen kommt es darauf an, ob und in welchem Umfang die Gefahr besteht, dass es zu Störungen im Internetverkehr kommt, wenn angeschlossene Nameserver eine reine Zifferndomain mit einer IP-Nummer verwechseln. Dass eine solche Gefahr besteht, muss von der Beklagten bewiesen werden (Bechtold, a. a. O., Rdn. 62 m. w. N.). Da es sich bei der Gefahr um eine Prognose und damit um eine nur potentielle zukünftige Tatsache handelt, kann diese selbst nicht Gegenstand eines Beweises sein. Dem Beweis zugänglich ist allenfalls die Frage, ob eine derartige Verwechselung technisch möglich ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eintreten kann. Ferner ist maßgeblich, welches Ausmaß eine solche Störung haben würde.
Nach dem Vortrag der Beklagten kann es unter folgenden Voraussetzungen zu einer Verwechselung einer reinen Zifferndomain mit einer IP-Adresse kommen:
1.) Eine Nameserver-Software muss eine aus Ziffern bestehende SLD als IP-Nummer interpretieren;
2.) die Domain muss diesem Nameserver ohne die TLD .de präsentiert werden.
Zu 1.): In dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. SV1 vom 20.09.2005 wird ausgeführt, dass die Ziffernfolge AAHHO keiner gültigen IP-Adresse entspreche, da diese ausschließlich als Folge von vier Dezimalstellen angegeben werden, die durch einen Punkt getrennt sind, und jede Dezimalzahl lediglich den Wert zwischen 0 und 255 annehmen könne. Die Beklagte hält dem ohne weiteren Widerspruch durch die Klägerin entgegen, dass IP-Nummern auch ohne trennende Punkte, somit als einheitliche Zahlen geschrieben werden könnten. Der Sachverständige Prof. Dr. SV1 hat hierzu weiterhin ausgeführt, soweit generell immer wieder von fehlerhaft arbeitenden Namens-Servern berichtet werde, seien die dafür ursächlichen Fehler jedoch unabhängig davon, ob eine reine Zifferndomain oder ein Domainname mit Buchstaben vorliege. Andererseits bestätigt der Sachverständige, dass noch einige DNS-Server mit Software laufen, die nicht den Spezifikationen der entsprechenden RFCs genügen (Bl. 128/129 d.A.), zum Beispiel alte Resolver-Software, die noch auf RFC 822 bzw. RFC 952 basiert, die damals keine reinen Zifferndomain-Namen erlaubten (zu nennen ist hier ferner der RFC 1034, Bl. 227 d. A.). Auch in der vom Sachverständigen zitierten, allerdings undatierten Äußerung des Netzwerk-Experten Dr. SV2 wird dies bestätigt („The main problem that may appear is that, when trying to resolve a numerical name, a host might interpret the number as an IP address rather than a name“). Als Grund gibt Dr. SV2 an, dass noch alte Einrichtungen bestehen, die nicht vollständig mit den gegenwärtigen Standards übereinstimmen: „As a result, compatibility problems may still exist with such systems“ (Bl. 282 d. A.). Auch wenn der RFC 1123, der reine Ziffern-Domains zulässt, bereits 1989 eingeführt wurde und damit alte Regelungen abgelöst worden sind, kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass derartige veraltete Resolver-Software noch benutzt wird. Im Übrigen muss in Betracht gezogen werden, dass Resolver-Software nunmehr auf dem RFC 1912 basiert, der wiederum nur aus Ziffern bestehende Domains verbietet. Wenn damit auch nicht feststeht, ob tatsächlich noch an das Internet angeschlossene Server mit solcher, technisch veralteter Software arbeiten, muss die Möglichkeit doch weiterhin ernsthaft in Betracht gezogen werden. Dass die Beklagte keine seit 2000 aufgetretenen Fälle benennen kann, genügt nicht, um die Möglichkeit sicher auszuschließen. Dies reicht als Feststellung aus, da der Beklagten nicht auferlegt werden kann, alle angeschlossenen Server daraufhin zu überprüfen. Von einem Sachverständigengutachten ist keine weitergehende Klärung zu erwarten. Es fehlt schon an Anknüpfungstatsachen, weil nicht bekannt ist, in welchem Umfang derartige ungeeignete Software noch benutzt wird.
Zu 2.): Ferner wendet Prof. Dr. SV1 ein, der Domainname AAHHO.de entspreche durch die Endung .de eindeutig nicht dem Format einer IP-Adresse. Die Beklagte hält dem unwidersprochen entgegen, dass Domains in der Regel zugleich als sogenannte Hostnames verwendet werden, sodann aber gerade ohne die TLD .de geschrieben werden, so dass sie nicht mehr anhand dieses Zusatzes von einer IP-Nummer unterschieden werden können. Schließlich weist die Beklagte auch zu Recht darauf hin, dass in der Vergangenheit – wie erwähnt – Probleme aufgetreten sind, obwohl sich IP-Nummern und Domains schon immer durch die TLD unterschieden haben.
Ferner spricht der RFC 1912 für die Behauptung der Beklagten. Seine Aussage „Labels may not be all numbers, but may have a leading digit“ wird von der Beklagten zutreffend übersetzt: „Labels dürfen nicht allein aus Ziffern bestehen“. „May not“ bedeutet nicht, wie die Klägerin meint, „soll nicht“, sondern enthält ein striktes Verbot, das inhaltsgleich ist mit „must not“, lediglich in einer höflicheren Formulierung. Auf den Status dieses RFC im Verhältnis zum RFC 1123 kann es nicht ankommen. Entscheidend ist, dass sich der RFC 1912 auf berichtete Probleme mit der Erleichterung durch RFC 1123 stützt („some older hosts still reportedly have problems with the relaxation in [RFC 1123]“, Bl. 229 d.A.). Der RFC 1912 datiert zwar vom Februar 1996 und ist damit mehr als zehn Jahre alt. Offenbar hat es aber anschließend keinen RFC gegeben, die dies als überholt oder veraltet behandelt. Zwar besagt der RFC 2181 (Juli 1997) „Implementations of the DNS protocols must not place any restrictions on the labels that can be used“(Bl. 276/277 d.A.). Damit wird gefordert, dass Domain-Nameserver-Protokolle keine Beschränkungen bezüglich der Domains enthalten dürfen, dies schließt jedoch nicht aus, dass tatsächlich weiterhin Software benutzt wird, die dem nicht entspricht. Die Beklagte steht mit ihrer Befürchtung auch nicht allein. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten wird dies von drei Vierteln aller ca. 240 ccTLDs ebenso gehandhabt. Es trifft zwar zu, dass andere Länder, die zunächst den Standpunkt der Beklagten eingenommen haben, inzwischen reine Ziffern-TLDs registrieren. Dies sowie die Registrierungspraxis bedeutender generischer TLDs beruht ersichtlich auf der Einschätzung, dass die Gefahr einer Verwechselung einer reinen Zifferndomain mit einer IP-Nummer als äußerst geringfügig eingeschätzt wird. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass die Gefahr technisch auszuschließen ist.
Welche Auswirkungen eine mögliche Verwechselung einer nur aus Ziffern bestehenden SLD mit einer IP-Nummer hat, lässt sich aus dem Beklagtenvortrag zwar nicht klar erkennen. Sie führt zum einen allgemein Adressverwechselungen auf, zum anderen nennt sie den Fall einer vom Absender unbemerkt fehlgeleiteten e-Mail. Dass eine Verwechselung der Domain mit einer IP-Nummer trotz des @-Zeichens in der e-Mail-Anschrift möglich ist, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahin erläutert, dass eine e-Mail zunächst an denjenigen Server, dessen Domain bzw. IP-Nummer eingegeben worden ist, versandt wird. Das @-Zeichen wird in dieser Phase vom Server des Absenders ignoriert und erst beim Empfänger als Funktion bearbeitet. Zwar hat die Beklagte einen konkreten Vorfall nicht namhaft machen können. Es reicht aber schon die nicht ganz fern liegende Gefahr aus, dass die Eingabe der nur aus Ziffern bestehenden Internetadresse nicht den Adressaten erreicht. Dies wäre eine systembedingte Fehlfunktion, die selbst dann zu vermeiden ist, wenn sie zu keinen nennenswerten Schäden führt.
Ob damit ein sachlicher Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigt, ist aufgrund einer umfassenden, einzelfallbezogenen Interessenabwägung zu entscheiden. Dabei muss von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass auch der Normadressat des § 20 Abs. 1 und 2 GWB sein unternehmerisches Verhalten so ausgestalten kann, wie er es für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält (BGH GRUR 2003, 893 – Schülertransporte; Schultz, a. a. O., § 20 Rdn. 123), wobei allerdings willkürliches Verhalten nicht privilegiert sein darf. Ferner muss die den Wettbewerb beschränkende Maßnahme des Normadressaten objektiv sachgemäß und angemessen sein (BGH Betriebsberater 1979, 1678, 1679 – Vermittlungsprovision für Flugpassagen II; Markert in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rdn. 142), was in erster Linie die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit die Wahl des mildesten Mittels erfordert. Wägt man die Interessen der Klägerin gegenüber denjenigen der Beklagten ab, so erscheinen die Belange der Klägerin auch unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB nicht ausreichend, um der Beklagten eine Änderung ihrer Praxis abzuverlangen. Letztlich wird die Klägerin lediglich in einem, wenn auch nicht unerheblichen Bereich ihrer Möglichkeiten eingeschränkt, von Interessenten erreicht zu werden. Da aber zahlreiche andere Zugangsmöglichkeiten bestehen, mögen diese auch für die Klägerin nicht den Wert einer .de-Domain haben, ist ihr der Verzicht auf die beanspruchte SLD eher zuzumuten als der Beklagten die Registrierung einer Domain AAHHO.de. Die Erwägung der Beklagten, mit der sie die Registrierung ablehnt, geht von der tatsächlich bestehenden Gefahr einer Verwechselung aus. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Verwechselung und eines erheblichen Schadens kann zwar als sehr gering eingestuft werden. Dass eine Störung des Internetverkehrs nur von geringer Wahrscheinlichkeit ist und auch deren Auswirkungen derzeit nicht konkret dargestellt werden können, verhilft der Klägerin jedoch nicht zum Erfolg. Der Beklagten ist zuzubilligen, dass sie nur SLDs vergibt, die eine solche Störung vollkommen ausschließen. Es kann zudem nicht außer Acht bleiben, dass infolge der Zulassung einer reinen Ziffern-SLD im Falle der Klägerin mit zahlreichen Ziffern-Registrierungswünschen anderer Internet-Teilnehmer zu rechnen ist. Die Beklagten müsste dann jeweils prüfen, inwieweit die gewünschte Ziffernfolge größere technische Probleme hervorrufen könnte als im Streitfall. Dies würde die an sich von der Beklagten angestrebte effektive, schnelle und preiswerte Registrierung (vgl. BGH GRUR 2001, 1038, 1040 – ambiente.de) mit zusätzlichem, nicht unerheblichem Aufwand belasten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihre Aufgabe im Interesse sämtlicher Internet-Nutzer und damit zugleich im öffentlichen Interesse wahrnimmt (BGH a. a. O. – ambiente.de). Dem Interesse der Beklagten an einer effektiven Vergabepraxis gebührt deshalb grundsätzlich der Vorrang (BGH a. a. O., S. 1041 – ambiente.de). Dabei kann offen bleiben, ob zu Ungunsten der Klägerin auch zu berücksichtigen ist, dass sie sich überhaupt in ihrer Marketingstrategie dazu entschlossen hat, ihre Rufnummer in den Vordergrund zu stellen, obwohl sie wusste oder zumindest hätte wissen müssen, dass gerade die Beklagte eine SLD AAHHO.de nicht registrieren wird. Ein milderes Mittel als der völlige Ausschluss reiner Zifferndomains ist der Beklagten nicht möglich, insbesondere kommt auch die probeweise Zulassung der begehrten Domain nicht in Frage. Zum einen müsste die Beklagte – wie erwähnt – aus Gründen der Gleichbehandlung auch weiteren Registrierungsanträgen dieser Art stattgeben mit der Folge zahlreicher, aber nur zum Teil parallel laufender Erprobungen. Zum anderen werden die befürchteten Fehlfunktionen nicht immer offenbar, so dass der Verlauf der Erprobung nicht zuverlässig feststellbar wäre.
In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz beruft sich die Klägerin darauf, die Beklagte habe seit März 2004 die Registrierung von Umlaut-Domains in vollem Bewusstsein zugelassen, dass dies zu deutlichen Problemen, jedenfalls in der Anfangsphase führen würde. Die Behauptung der Beklagten, sie unternehme alles, um das Internet störungsfrei zu halten, sei daher wenig überzeugend. Jedenfalls könne es keinen sachlichen Differenzierungsgrund darstellen, wenn die Beklagte willkürlich entscheide, ob sie gerade gewillt sei, das Internet störungsfrei zu halten oder nicht. Dieser Vortrag gibt jedoch keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß §§ 296a Abs. 2, 156 ZPO wieder zu eröffnen. Einerseits handelt es sich um Umstände, die die Klägerin schon in erster Instanz hätte vorbringen können. Der Vortrag wäre deshalb auch nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Andererseits geht es dabei um eine nicht vergleichbare Fallgestaltung, da die technischen Probleme bei Umlaut-Domains andere sind als diejenigen bei Zifferndomains. Schließlich wäre die Beklagte nach den Erfahrungen mit der damaligen Umstellung ihrer Richtlinien nicht gehindert, nunmehr weitere Probleme durch Ablehnung einer abermaligen Änderung der Registrierungspraxis zu vermeiden.
Aus diesen Gründen hat die Klägerin auch keinen Anspruch wegen unbilliger Behinderung. Soweit sie in ihrer Geschäftstätigkeit durch die ablehnende Haltung der Beklagten behindert wird, ist dies aus den vorgenannten Gründen nicht unbillig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Ab. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die Frage, ob die nationale Registrierungsstelle eine bestimmte SLD vergeben muss, hat nur für den Einzelfall Bedeutung.
Es ist nicht ersichtlich, dass an die Beklagte in einer Vielzahl von Fällen die Forderung nach der Registrierung von Zifferndomains gerichtet worden ist.