t-net.de

Gericht: OLG München
Aktenzeichen: 29 U 59 73/98
Entscheidungsdatum: 16.09.1999
Die Verwendung eines Internet-Domainnamens kann eigenständigen Kennzeichenschutz begründen, wenn die verwendete Domain entweder originäre Kennzeichnungskraft oder Verkehrsgeltung besitzt.
In dem Rechtsstreit

(…)

– Klägerin und Berufungsbeklagte –

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

(…)

– Beklagte und Berufungsklägerin –

Prozeßbevollmächtigte:

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München im schriftlichen Verfahren nach dem Sachstand vom 29. Juli 1999

für Recht erkannt:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München 1 vom 11.08.1998 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von DM 25.000,– abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt DM 60.000,–.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das umfangreiche Dienstleistungen rund um das Internet anbietet. Zu ihrem Dienstleistungsangebot gehört der Anschluss an das Internet, ein Service rund ums Thema WWW, Internetberatung, Schulungen zu Technik und Marketing und auch der Handel mit Hard- und Software. Für ihre Vorgesellschaft war die Internet-Domain „tnet.de“ seit 16.08.1993 registriert. Diese Domain wurde ab der Registrierung von der Klägerin bzw. zunächst von deren Vorgesellschaft für “ Electronic Mail “ Datentransfer-Dienste genutzt. Erst ab September 1994 bot die Klägerin auch ‚World Wide Web“-Dienste an. Im Jahre 1997 beantragte die Klägerin die weitere ihr auch zugeteilte Internet-Domain „t-net.de“.

Die Beklagte ist Inhaberin der Marken „TNet“ und „T-Net“ mit jeweils der Priorität vom 12.07.1995 sowie der Marke „T-Net-ISDN“ mit der Priorität vom 11.03.1997. Unter der Marke „T-Net“ vermarktet die Beklagte ihre Telekommunikationsnetze und die entsprechenden Dienstleistungen.

Die Klägerin vertrat vor dem Landgericht die Auffassung, ihre Domain stelle eine geschäftliche Bezeichnung dar. Sie verfüge deshalb gegenüber den Marken der Beklagten über prioritätsältere Rechte.

Sie beantragte zunächst:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin durch Benutzung der Domain-Adressen „t-net.de“ und „tnet.de“ keine Kennzeichnungsrechte der Beklagten verletzt.

Die Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Sie wies darauf hin, dass die Zeichen der Klägerin weder markenrechtlichen Kennzeichnungsschutz noch Namensschutz beanspruchen könnten, weil die von ihr genutzten Bezeichnungen nicht kennzeichnungskräftig seien. Die Klägerin trete im übrigen unter ihrer Domain mit ihrer Firma auf. Auf der Grundlage der ihr zustehenden Markenrechte stehe vielmehr ihr gegen die Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung deren Domains zu.

Die Beklagte erhob daher Widerklage und beantragte:

1. Der Widerbeklagten wird untersagt,

im geschäftlichen Verkehr Dienstleistungen und/oder

Waren im Zusammenhang mit dem Internet und/oder

Intranet

unter der Kennzeichnung „t-net“

und/oder „tnet“

anzubieten, anbieten zu lassen, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, insbesondere, wenn dies im

Internet unter der Domain „t-net.de“

und/oder „tnet.de“

geschieht.

2. Der Widerbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,–, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten und Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Widerbeklagte wird verurteilt,

gegenüber der D

zu erklären, dass die Domain-Adressen „t-net.de“

und „tnet.de“

freigegeben werden.

4. Die Widerbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Nach Erhebung der Widerklage erklärten die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der Klage übereinstimmend für erledigt.

Die Klägerin beantragte

die Abweisung der Widerklage,

zu deren Begründung sie ihren Vortrag zur Feststellungsklage aufrecht erhielt.

Das Landgericht wies mit Urteil vom 11.08.1998 die Widerklage ab.

Zur Begründung wies es darauf hin, dass die Klägerin dem auf Markenrechte gestützten Unterlassungsanspruch der Beklagten ein gewerbliches Schutzrecht besserer Priorität entgegensetzen könne. Die Klägerin besitze für „tnet.de“ die Rechte aus einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkG. Telegrammadressen und Fernschreibkennungen könnten besondere geschäftliche Bezeichnungen darstellen. Nichts anderes gelte für eine Internet-Domain. Diese Domain habe die Klägerin seit 16.08.1993 benutzt. Ihr komme auch originäre Kennzeichnungskraft zu. Sie sei auch geeignet, im Verkehr für die Klägerin herkunftshinweisend zu wirken. Die Beklagte habe gegen die Klägerin auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung „t-net“. Auch wenn diese Bezeichnung prioritätsjünger als die Marken der Beklagten sei, nehme sie angesichts der Ähnlichkeit zur prioritätsälteren geschäftlichen Bezeichnung „tnet“ an der älteren Priorität teil.

Gegen die Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzielles Begehren weiter verfolgt. Sie meint, dass eine Domain nicht in jedem Fall eine geschäftliche Bezeichnung darstelle. Die Domain sei vielmehr nur dann eine geschäftliche Bezeichnung, wenn sich die Adresse im Verkehr durchgesetzt habe oder die Adresse mit der Firma oder einem unterscheidungskräftigen Firmenbestandteil übereinstimme. Diese Voraussetzung seien bei den Domains der Klägerin nicht erfüllt. Ihre Kennzeichnungskraft sei gering. Deshalb müsse der Grad der Verkehrsdurchsetzung besonders hoch sein. Dies habe die Klägerin nicht dargelegt. Die Domains der Klägerin stimmten auch nicht mit deren Firma überein. Im übrigen habe die Klägerin unter ihrer Domain „tnet.de“ vor ihren Markenanmeldungen keine Webseite im Internet unterhalten. Eine bloße e-mail-Adresse beinhalte keinen Hinweis auf eine Präsenz im World Wide Web. Eine e-mail-Adresse, über die die Klägerin vor ihren Markenanmeldungen verfügt habe, könne jedoch kein absolutes Kennzeichnungsrecht begründen. Schließlich sei sie nunmehr Inhaberin der Marke „TNET“ mit einer Priorität vom 05.07.1994. Diese Marke habe sie erworben. Die Umschreibung sei beim Deutschen Patentamt beantragt. Auch auf der Grundlage dieser Marke seien ihre Ansprüche begründet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München vom 11.08.1998 abzuändern.

Im übrigen stellt sie ihren Widerklageantrag wie vor dem Landgericht.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist darauf hin, dass eine Internet-Domain eine besondere Bezeichnung darstelle, wenn sie vom Verkehr nicht als bloße Adresse verstanden werde. Soweit die Beklagte nunmehr darauf hinweise, ihren Domains käme kein Kennzeichenschutz zu, weil sie zunächst nicht im Rahmen des World Wide Web genutzt worden seien, sei dies unzutreffend. Das Internet bestehe nämlich keineswegs aus einem einzigen Dienst. Es stelle vielmehr eine technische Plattform dar, die für verschiedenste Dienste genutzt werden könne. Als sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin im Sommer 1993 ihre Domain registrieren ließ, sei die Nutzung des Internets noch weitgehend auf „Electronic Mail“ beschränkt gewesen. Dies ändere jedoch nichts an der Kennzeichnungsfunktion und Kennzeichnungsfähigkeit der von ihr genutzten Domains. Gerade für sie, deren wesentlicher Geschäftsgegenstand die Bereitstellung von e-mail-Diensten für Dritte sei, habe ihre Domain eine besondere Werbebedeutung. Soweit die Beklagte nunmehr Rechte aus einer von ihr erworbenen Marke geltend mache, könne die Beklagte keinen Erfolg haben, da auch diese Marke gegenüber ihrem Schutzrecht nachrangige Priorität habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, auf das Urteil des Landgerichts vom 11.08.1998, auf die Sitzungsprotokolle vom 29.04. und 08.07.1999 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, weil ihr aufgrund ihrer Marken die auf § 14 Abs. 5 MarkG gestützten Unterlassungsansprüche gegen die Klägerin nicht zustehen.

Die Klägerin verfügt über die Marken „TNet“ und „T-Net“ mit der Priorität vom 12.07.1995. Sie ist zudem Inhaberin der Marke „T-Net-ISDN“ mit der Priorität vom 11.03.1997. Darüber hinaus hat sie mit Vertrag vom 29.07./17.08.1998 die Marke „TNET“ mit einer Priorität vom 05.07.1994 erworben.

Den Marken der Beklagten steht die Internet-Domain der Klägerin „tnet.de“ gegenüber. Diese Domain ist für die Klägerin – bzw. ihre Vorgesellschaft ausweislich der vorgelegten Unterlagen (K3) registriert. Sie nutzte die Domain zunächst, wie u.a. aus der von ihr vorgelegten Dienstleistungs-Preisliste 1/99 zu ersehen ist, zunächst nur für E-Mail und andere Internetdienste, nicht jedoch für das „World Wide Web“. WWW-Dienste bot die Klägerin erst zu einem späteren Zeitpunkt, nach ,ihrem Vortrag im September 1994, an. Eine Internet-Domain, wie sie die Klägerin verwendet, kann ein Unternehmenskennzeichen im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkG darstellen. Dies setzt jedoch voraus, dass das verwendete Zeichen entweder originäre Kennzeichnungskraft hat oder Verkehrsgeltung erlangt hat. Im Streitfall kann dem Zeichen „tnet“ originäre Kennzeichnungskraft nicht abgesprochen werden. Dabei ist von Bedeutung, dass die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Ausreichend für die Bejahung ursprünglicher Kennzeichnungskraft ist, dass keine glatt beschreibende Angabe vorliegt (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkG, Rdnr. 24 zu § 5 m.w.N.). Das Zeichen der Klägerin nimmt mit dem Bestandteil „net“ zwar eine beschreibende Angabe auf. Es ist jedoch mit dem vorangestellten „t“ ohne weiteres geeignet, im Verkehr als individueller Herkunftshinweis auf das Unternehmen der Klägerin zu wirken. Die deshalb dem Zeichen der Klägerin zukommende ursprüngliche Kennzeichnungskraft wird im übrigen in der Berufung auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Für die Qualifizierung der Domain als Unternehmenskennzeichen ist jedoch von Bedeutung, dass die primäre Funktion von Internet-Domain-Namen in der Individualisierung und Identifizierung eines bestimmten, an das Netzwerk angeschlossenen Rechners besteht. Die Domain bezeichnet also grundsätzlich weder die Person, die Adressat einer Botschaft ist, noch einen bestimmten Gewerbebetrieb oder gar in dessen Rahmen feilgehaltene Waren oder Dienstleistungen. Eine Domain ist also eher mit einer Adresse oder einer Telefonnummer vergleichbar, die ebenfalls keine Kennzeichen im rechtlichen Sinne sind (vgl. Kur, CuR, 1996, 325/326). Ob in der Verwendung einer Domain ein kennzeichenmäßiger Gebrauch gesehen werden kann, hängt daher von dem konkreten Gebrauch der Domain ab. Besteht die Domain erkennbar aus Namen, Firmenbezeichnungen, Markenwörtern oder entsprechenden Abkürzungen, so stellt ihre Wiedergabe auf dem Bildschirm regelmäßig einen kennzeichenmäßigen Gebrauch dar (Ingerl/Rohnke a.a.0. Rdnr. 65 zu § 14; Ubber, WRP. 1997, 497/504). Die Domain der Klägerin besteht aus einer Abkürzung ihrer Firmenbezeichnung. Dies allein kann jedoch nicht ausreichen, in jeder beliebigen Verwendung des Zeichens eine schutzbegründende Benutzungsaufnahme zu sehen. Deshalb ist es fraglich, ob der Verkehr in der Verwendung der Domain auf Briefbögen der Klägerin im Rahmen des Hinweises auf ihre e-mail-Adresse eine besondere Bezeichnung im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkG sieht. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an, weil die Klägerin ihre Domain im Rahmen ihrer Dienstleistung als Service Provider für „Electronik Mail“ zur Bezeichnung ihres Unternehmens verwendet hat. Sie erbringt für ihre Kunden e-mail-Dienste. Sie wickelte bereits im Jahre 1993 für diese Kunden den e-mail-Verkehr wie auch andere Provider ab. Innerhalb der mehrgliedrigen e-mail-Adresse ihrer Kunden kennzeichnet dabei die Domain der Klägerin ihr Dienstleistungsunternehmen als Service-Provider. Diese von der Klägerin bereits im Jahre 1993 aufgenommene Nutzung im geschäftlichen Verkehr begründete bereits das Recht der Klägerin an ihrer geschäftlichen Bezeichnung „tnet“. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Klägerin erst zu einem späteren Zeitpunkt, als das World Wide Web als zusätzlicher Internetdienst im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Klägerin Bedeutung gewann, ihre Domain auch für ihren Unternehmensauftritt im World Wide Web nutzte. Da mithin der Klägerin an ihrer geschäftlichen Bezeichnung ein gegenüber den Marken der Beklagten prioritätsbesseres Schutzrecht zusteht, ist, wie auch das Landgericht bereits festgestellt hat, der auf ihre Markenrechte gestützte Unterlassungsanspruch der Beklagten unbegründet. Dies gilt auch gegenüber der prioritätsjüngeren geschäftlichen Bezeichnung „t-net“ der Klägerin, die sich von dem Zeichen „tnet“ nur durch einen Bindestrich unterscheidet. Beide Zeichen sind klanglich identisch. In ihrem Erscheinungsbild unterscheiden sie sich nur marginal. Beide Zeichen verwendet die Klägerin zur Kennzeichnung ihres Unternehmens. Das jüngere Zeichen wird daher vom Schutzumfang des älteren Zeichens erfaßt. Da sich die Klägerin für ihr Zeichen „tnet“ gegenüber den Marken der Beklagten auf ein prioritätsbesseres Recht berufen kann, stehen der Beklagten auch gegenüber dem prioritätsjüngeren Zeichen der Beklagten auf der Grundlage ihrer Marken keine Verbietungsrechte zu.

Das Landgericht hat nach alledem die Widerklage der Beklagten zu Recht abgewiesen. Es hat auch die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der für erledigt erklärten Klage zutreffend der Beklagten auferlegt. Deren Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, 711, § 546 Abs. 2 ZPO.