Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr

  • Allgemeine Grundsätze

    Wie auch im nicht elektronischen Geschäftsverkehr kommt ein Vertragsschluss über das Internet entsprechend den allgemeinen Regelungen im BGB zustande, wenn von den Vertragsparteien aufeinander bezogene Willenserklärungen – auch per E-Mail oder Mausklick – abgegeben werden. Dabei gibt einer der Beteiligten ein verbindliches Angebot im Sinne des § 145 BGB ab, welches anschließend von dem Geschäftspartner angenommen wird, § 147 BGB. Die Annahme eines Angebotes kann auch dadurch erfolgen, dass der Verkäufer die Ware zum Transport bereitstellt oder unmittelbar liefert (sog. konkludente Annahme). Das Angebot bzw. die Annahme kann von jeder Seite ausgehen. Es ist nicht zwingend und im Internet eher die Ausnahme, dass der Verkäufer das Angebot abgibt.

  • Verbindlichkeit eines Online-Angebots

    Ob ein Online-Angebot bereits als verbindliches Angebot oder ähnlich wie entsprechende Auslagen in Geschäften lediglich als eine unverbindliche Aufforderung zum Vertragsschluss ( sog. invitatio at offerendum), d.h. eine bloße Aufforderung an den Kunden zur Abgabe eines entsprechenden Angebots (z.B. Kaufbestellung) zu qualifizieren ist, ist im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Inhalts der Angebotsseite sowie der sonstigen Erklärungen, die im Zusammenhang mit der Angebotsseite vom Anbieter abgegeben werden (z.B. Erklärungen in der Eingabemaske oder in AGB), zu beantworten.

    Im überwiegenden Fall stellen Angebote im WWW ähnlich wie Auslagen in Geschäften noch kein verbindliches Angebot sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eine Angebots (Kaufbestellung) dar, da sich auch der Online-Anbieter in der Regel die Prüfung der eigenen tatsächlichen Leistungsfähigkeit vor Vertragsschluss vorbehalten möchte. Auf der Grundlage der Bestellung wird dann geprüft, ob die gewünschte Leistung in der entsprechenden Menge vorrätig ist und diese sodann gegebenenfalls als „Annahme“ bestätigt.

    Die Auslegung eines Online-Angebots als bloße Aufforderung zum Vertragsschluss kann im Einzelfall dann fraglich werden, wenn im Zusammenhang mit dem Internet-Angebot eine unbedingte Leistungsbereitschaft erklärt wird oder durch sonstige Äußerungen ein rechtlicher Bindungswille erklärt wird.

    Sofern die Auslegung ergibt, dass einer Angebotsseite der Erklärungswert eines bindenden Angebots beizumessen ist, ist unerheblich, ob sich der Anbieter des verbindlichen Charakters der Erklärung bewusst war. Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Internetanbieter bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte.

    Ein für den Empfänger nicht erkennbarer Vorbehalt, sich nicht binden zu wollen, ist unbeachtlich (§ 116 BGB). Dem Erklärenden verbleibt in diesem Fall nur die Möglichkeit einer Anfechtung seiner Willenserklärung nach §§ 119 ff. BGB in den dort bestimmten Grenzen.

    Um Unklarheiten hinsichtlich der Bindungswirkung des Angebots zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, den fehlenden Rechtsbindungswillen durch klarstellende Hinweise („solange der Vorrat reicht“ u.ä.) deutlich zu machen und darauf zu achten, dass nicht durch sonstige Erklärungen im Zusammenhang mit dem Online-Angebot der Eindruck entsteht, dass das Angebot bereits als verbindlich im Sinne des § 145 BGB zu qualifizieren ist.

  • Besondere Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr

    In Umsetzung der E-Commerce Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber den Unternehmern im elektronischen Geschäftsverkehr besondere Pflichten auferlegt, um einen effektiven Schutz des Kunden zu gewährleisten.

    So hat gemäß § 312 e BGB ein Unternehmer, also derjenige, der als natürliche oder juristische Person bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, besondere Verpflichtungen, wenn er sich zum Zwecke des Vertragsabschlusses über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen (sog. Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr) eines Tele- oder Mediendienstes bedient.

    Die hier relevanten Internetshops sind regelmäßig als Teledienste einzustufen, da die elektronisch erbrachte Leistung auf ein konkretes Individualverhältnis zwischen Nutzer und Anbieter bezogen ist und sie – im Unterschied zu den Mediendiensten – keine oder nur eine untergeordnete redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung beinhalten. Über ein Shop-System im Internet abgeschlossene Verträge sind daher grundsätzlich dem elektronischen Geschäftsverkehr zuzuordnen. Erfolgt der Vertragsschluss über individuelle Kommunikation (z.B. per E-Mail) ist § 312 e hingegen nicht anwendbar.

    Die Vorschrift des § 312 e BGB verpflichtet die Unternehmer

    • Abs. 1 S.1 Nr. 1: es dem Kunden mittels angemessenen, wirksamen und zugänglichen technischen Mitteln zu ermöglichen, Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung zu erkennen und zu berichtigen.
      Hier bietet es sich an, dem Kunden sämtliche im Rahmen des Bestellvorgangs erfolgten Eingaben zusammengefasst zu präsentieren und ihn zur Bestätigung aufzufordern.
    • Abs. 1 S.1 Nr. 2: die Informationspflichten des § 3 BGB-InfoV zu erfüllen: Hierzu gehört die Aufklärung über die zu einem Vertragsschluss führenden einzelnen technischen Schritte ebenso wie die Information darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist. Zudem hat der Unternehmer die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen, sowie die Erwähnung und Zugänglichmachung sämtlicher einschlägiger Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft, zu gewährleisten.
    • Abs. 1 S.1 Nr. 3: dem Kunden den Zugang der Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Dies kann durch eine automatisch versandte E-Mail erfolgen. Es ist jedoch darauf zu achten, den E-Mail-Text so zu formulieren, dass die Bestätigung nicht zugleich als bindende Annahme des durch den Käufer abgegebenen Angebots ausgelegt werden kann. Vom Gesetz wird lediglich eine Bestätigung des Zugangs der Bestellung gefordert, nicht jedoch die Bestätigung der Bestellung als solche. Möchte der Lieferant lediglich den Zugang bestätigen, sich die Annahme des Angebots aber noch offen halten will, muss er dieses eindeutig klar stellen (OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2002, Az.: 9 U 94/02).Zu vermeiden sind unter diesem Aspekt bereits das Ansprechen als „Kunden“, die Mitteilung der Ausführung oder der Bearbeitung des Auftrags durch die Versandabteilung (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2005, Az.: VIII ZR 79/04; LG Köln, Urteil vom 16.04.2003, Az.: 9 S 289/02, OLG Frankfurt). Bei entsprechender Gestaltung kann eine Bestätigungsmail als Annahme verstanden werden mit der Folge, dass der Vertrag ohne weiteres zu den im Shopsystem angegebenen und in der E-Mail bestätigten Konditionen zustande käme. Hierbei besteht die Gefahr, dass falsche Preisangaben oder Beschreibungen im System bindender Vertragsinhalt werden und zudem nicht gesondert überprüft werden kann, ob die bestellte Ware in der geforderten Menge und zu dem angegebenen Preis verfügbar ist.
    • Abs. 1 S.1 Nr. 4: es dem Kunden zu ermöglichen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern.

    Hinsichtlich der Vorschrift des § 312 e BGB ist zu beachten, dass abweichende Vereinbarungen unwirksam sind, wenn der Kunde Verbraucher i.S.d. § 13 BGB ist, § 312 f BGB. Im B2B-Bereich hingegen ist lediglich die Regelung betreffend die Zurverfügungstellung der Vertragsbestimmungen und AGB unabdingbar, § 312 e Abs. 2 S. 2 BGB.

    Als Folge der Nichtbeachtung dieser Pflichten, beginnt für den Kunden, sofern ihm ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zusteht, die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der genannten Pflichten. Zudem droht eine Abmahnung durch Mitbewerber oder entsprechend legitimierte Verbände (z.B. die Wettbewerbszentrale) bzw. qualifizierte Einrichtungen (insb. Verbraucherzentralen) wegen Verstoßes gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

    Die Pflichten des § 312 e BGB bei Angeboten über eBay In einer aktuellen Entscheidung hat das LG Frankenthal festgestellt, dass Unternehmer, die sich der Verkaufsplattform von eBay bedienen, nicht eigens die Möglichkeit zur Erkennung und Berichtigung von Eingabefehlern bereitstellen und darüber informieren müssen. Auch eine zusätzliche Information über die technischen Schritte, die zum Vertragsabschluss führen und darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist, ist nicht erforderlich. Sämtliche der genannten Informationen hat der potentielle Kunde nämlich bereits bei Begründung seiner Mitgliedschaft und der Akzeptanz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay erhalten. Zudem stelle das Shopsystem von eBay von sich aus eine ausreichende Kontroll- und Korrekturmöglichkeit bereit (vlg. LG Frankenthal, Urteil vom 14.02.2008, Az.: 2 HK O 175/07). Im Übrigen sind die Pflichten des § 312 e BGB auch bei der Bereithaltung von Angeboten über eBay zu erfüllen.

  • Abgrenzung zu Fernabsatzverträgen

    Im elektronischen Geschäftsverkehr vorgenommene Rechtsgeschäfte sind von Fernabsatzverträgen i.S.d. § 312 b Abs. 1 BGB zu unterscheiden. Auch wenn bei Rechtsgeschäften im Internet häufig die Merkmale beider besonderer Vertriebsformen erfüllt sind ist eine Differenzierung notwendig, da dies nicht zwangsläufig der Fall ist und für die jeweilige Vertriebsform dem Unternehmer durch das Gesetz unterschiedliche Pflichten auferlegt werden.

    Handelt es sich bei dem Geschäft um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, der unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (z.B. E-Mail, über einen Internet-Shop, aber auch Telefon, Telefax und Briefpost) abgeschlossen wird und erfolgt der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems, liegt (auch) ein Fernabsatzvertrag gemäß § 312 b Abs. 1 BGB vor. Dies hat zur Folge, dass der Unternehmer (zusätzlich) den Informationspflichten des § 312 c BGB nachkommen muss und den Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 BGB ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht zu belehren hat.

    Im Unterschied zu Vertragsschlüssen im elektronischen Geschäftsverkehr setzt ein Fernabsatzvertrag also nicht voraus, dass der Vertragsschluss unter Einsatz von Telemedien erfolgt. Auf der anderen Seite unterfällt ein Rechtsgeschäft auch dann dem elektronischen Geschäftsverkehr mit der Konsequenz der zusätzlichen Pflichtenlast des § 312 e BGB, wenn nur Unternehmer daran beteiligt sind.

    Zum Vertragsschluss bei Online-Auktionen siehe den Abschnitt „Vertragsschluss bei Online-Auktionen“

Rechtsprechung

OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2002, Az.: 9 U 94/02
BGH, Urteil vom 26.01.2005, Az.: VIII ZR 79/04
LG Köln, Urteil vom 16.04.2003, Az.: 9 S 289/02
LG Frankenthal, Urteil vom 14.02.2008, Az.: 2 HK O 175/07