BGH: Anspruch auf Löschung eines mit einem Unternehmenskennzeichen identischen Domainnamen energycollect.de

13.02.2024

BGH, Urteil vom  26.10.2023 – energycollect.de

Dem Inhaber eines Unternehmenskennzeichens steht gegen den Inhaber eines mit diesem Unternehmenskennzeichen identischen Domainnamen im Regelfall kein Löschungsanspruch zu, wenn der Domainname vor der Entstehung des Unternehmenskennzeichens registriert wurde und die Aufrechterhaltung der Domainregistrierung nicht rechtsmissbräuchlich. Dies gilt im Rahmen einer Interessenabwägung auch dann, wenn der Domainnamen lediglich zur Weiterleitung auf die Website eine s Dritten benutzt wird und dem Domaininhaber keine eigenen Rechte an dem Domainnamen zustehen.

Die Klägerin firmiert als „energy COLLECT GmbH & Co. KG“ und ist seit Sommer 2020 als Inkasso-Dienstleister für Energieversorger tätig. Der Beklagte hatte die Domainnamen „energycollect.de“ und „energy-collect.de“ bereits im April 2010 und somit vor der Entstehung der Rechte der Klägerin an der Firma energy COLLECT registriert. Die Domainnamen wurden vom Domaininhaber ausschließlich zur Weiter- und Umleitung auf die Website eines Wettbewerbers der Klägerin genutzt. Das Instanzgericht hatte den Beklagten zur Einwilligung in die Domainlöschung verurteilt. Auch die Berufung dagegen war erfolglos geblieben. Auf die vom Senat zugelassene Revision hebt der BGH das Berufungsurteil auf und weist zur Neuverhandlung an das Berufungsgericht zurück.
Der BGH bestätigte zunächst die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Firmenbestandteil „energy COLLECT über hinreichende originäre Unterscheidungskraft verfügt und daher als Name im Sinne § 12 namenrechtlichen Schutz genießt. Auch sei die Registrierung des Domainnamens unbefugt erfolgt. Die bloße Domainregistrierung sowie die Weiterleitung auf die Website eines konkurrierenden Unternehmens stelle keine herkunftshinweisende oder namensmäßige Benutzung, sondern eine Benutzung als Adressbezeichnung dar, da der Internetnutzer in dem im Browser eingegebenen und nach Weiterleitung nicht mehr sichtbaren Domainnamen keinen Herkunftshinweis auf den Geschäftsbetrieb des Beklagten erkenne. Zudem sei – von der Revision unbeanstandet – eine Zuordnungsverwirrung gegeben.

Allerdings verletze die Domainregistrierung nicht die schutzwürdigen Interessen der Klägerin. Bei der Prüfung einer unberechtigten Namensanmaßung gem. § 12 S. 1 Fall 2 BGB sei eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen, unter Berücksichtigung sowohl der Interessen des Namensinhabers an der Beendigung der angenommenen Zuordnungsverwirrung als auch der entgegenstehenden Interessen des Domaininhabers an der Aufrechterhaltung der Domainregistrierung. Weil das Namensrecht der Klägerin jedoch erst nach der Domainregistrierung entstanden war, hätte das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH nicht nur spezifisch namens- und kennzeichenrechtliche sondern sämtliche wirtschaftlichen Interessen des Beklagten an der Aufrechterhaltung der Domainregistrierung ermitteln und gewichten müssen. Das Berufungsgericht hätte außerdem Feststellungen zu möglichen rechtsmissbräuchlichen Motiven bei der Registrierung treffen müssen, denn in der vorliegenden Konstellation wird im Ausgangspunkt zugunsten des Beklagten vermutet, dass es solche nicht gab. Daher hebt der BGH die Entscheidung auf und verweist diese an das Berufungsgericht zurück.

Praxistipp:
Im Ergebnis ist der Entscheidung des BGH zuzustimmen. Sie macht nochmals deutlich, wie wichtig es ist, vor der Wahl eines  Unternehmenskennzeichens abzuklären, ob die dem Unternehmenskennzeichen entsprechende Domain unter der country code Top-Level-Domain .de noch zur Verfügung steht. Ist zum Zeitpunkt der Entstehung des Unternehmenskennzeichens bereits ein mit diesem identischer Domainname registriert, kann der Kennzeicheninhaber einen namensrechtlichen Löschungsanspruch nur durchsetzen, wenn Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Registrierung gegeben sind. Ist dies nicht der Fall genügt auch jedes legitime wirtschaftliche Interesse an der Fortführung eines Weiterleitungsgebrauchs, um dem Vorwurf der unberechtigten Namensanmaßung entgegenzutreten. Ebenfalls zu beachten ist, dass durch die Nutzung eines Domainnamens eigene prioritätsältere Kennzeichenrechte begründet werden können, die der Domaininhaber der Nutzung des Unternehmenskennzeichen entgegengehalten kann, wenn die Nutzung des Unternehmenskennzeichens in deren Schutzbereich erfolgt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom  2.6.2022 – I ZR 154/2 – cusanus.de).