Sicherungseinbehalt: Konkludenter Aufrechnungsausschluss

Sicherungseinbehalt: Konkludenter Aufrechnungsausschluss für Forderungen aus anderen Verträgen

In Bauverträgen werden regelmäßig Sicherungsabsprachen für eventuelle Mängelansprüche des Auftraggebers getroffen. Oftmals stellt sich die Frage, ob der Auftraggeber auch berechtigt ist, gegenüber dem Einbehalt mit Forderungen aus anderen Verträgen, insbesondere anderen Bauverträgen, aufzurechnen. Die Frage war bislang in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr Gelegenheit, sie anhand folgender Klausel zu entscheiden:

„Der Auftraggeber ist berechtigt, einen Betrag von 5 % der Netto-Schlussabrechnungssumme zur Sicherung einzubehalten. Der Unternehmer darf diesen Einbehalt durch Bankbürgschaft ablösen. Diese Sicherheit – gleich ob als Einbehalt oder als Bürgschaft – dient in dem Zeitraum von der Abnahme bis zum Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche dazu, die Rechte des Auftraggebers bei Mängeln (inklusive Aufwendungsersatz und Kostenvorschuss bei Selbstvornahme)und jedwede Schadensersatzansprüche des Auftraggebers (insbesondere gemäß §§ 280 ff. BGB) und die Ansprüche des Auftraggebers auf Erstattung von Überzahlungen aus diesem Vertrag (auch hinsichtlich geänderter und zusätzlicher Leistungen) abzusichern.“

 

1. Die Entscheidung : Der BGH entschied sich mit überzeugenden Gründen gegen ein Aufrechnungsrecht des Auftraggebers mit Forderungen aus anderen Verträgen. Der Auftraggeber sei jedenfalls während des vereinbarten Sicherungszeitraums nicht berechtigt, nachdem er den Betrag einbehalten habe, gegen diesen Restwerklohnanspruch mit einer Forderung aus einem anderen Vertrag aufzurechnen (BGH Urteil vom 14.09.2017 = NJW 2017, 3437).

Die obige Klausel beschränkt den Sicherungszweck zwar nicht ausdrücklich auf die Sicherung des Auftraggebers für Ansprüche „aus diesem Vertrag“. Zu Recht führt der BGH aber neben dem Wortlaut auch den Sinn und Zweck der Vereinbarung als Argument ein: Könnte der Auftraggeber gegen den einbehaltenen Betrag aufrechnen, würde der Sicherungszweck auch auf die Sicherung von Forderungen des Auftraggebers aus anderen Verträgen erweitert, obwohl dort gar keine Sicherungsabrede getroffen worden war.

  1.         Konsequenzen

2.1       Der Aufrechnungsausschluss gilt allerdings nur im Umfang des vereinbarten Zwecks. An der Möglichkeit, bis zum Zeitpunkt des Einbehaltens eines Teils des Werklohns kann der Auftraggeber nach wie vor mit anderen Ansprüchen aufrechnen (BGH, am angegebenen Ort, Rnd.Nr. 21). Mit anderen Worten wird das Aufrechnungsverbot erst dann akut, wenn von der Werklohnforderung des Unternehmers nur noch der Gewährleistungseinbehalt übrig ist.

2.2          Für die Sicherung des Auftraggebers mit anderen Mitteln, z.B. durch eine Bürgschaft, muss Entsprechendes gelten. Der Auftraggeber kann eine Gewährleistungsbürgschaft aus dem einen Bauvertrag für Forderungen aus einem anderen Bauvertrag in Anspruch nehmen.

2.3       Im Hinblick auf die zukünftige vertragliche Gestaltung sollten Auftragnehmer dieses Aufrechnungs- bzw. Zurückbehaltungsverbot ausdrücklich klarstellen. Auftraggeber könnten auf der anderen Seite erwägen, den Sicherungszweck der Sicherheit auf die Sicherung von Forderungen des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer auch aus anderen Verträgen zu erweitern. Jedenfalls dann, wenn dies – wie üblich – mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen erfolgen sollte, könnte dieser Erweiterung des Sicherungszwecks den Auftraggeber unangemessen benachteiligen und die Regelung deswegen wegen entgegenstehender AGB-rechtlicher Normen unwirksam sein.